■ Kommentar: Zwang zum Auto
Selten zuvor hat Verkehrssenator Haase so deutlich gezeigt, daß er nicht Verkehrs-, sondern Autopolitik macht. In und von Berlins größtem geplantem Neubaugebiet soll nur die Hälfte des Verkehrsaufkommens mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden. Doch warum überhaupt Auto gefahren werden muß, konnte der CDU-Politiker nicht sagen. Dies ist nicht einmal verwunderlich, denn die Bürokraten seiner Verwaltung haben gar nicht erst überlegt, welche Wege nicht mit Bus und Bahn erledigt werden können.
Wer aber die Verkehrsanbindung von möglicherweise einmal 200.000 Neuberlinern plant, müßte sich als erstes fragen, welche Wege vermeidbar sind. Dann kommt die Frage, welche der übrigbleibenden Wege mit dem öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt werden können. Erst dann – an dritter Stelle – zählt, was an restlichen Wegen bleibt: Nur diese wären eine Aufgabe für den privaten PKW. Daß die Verkehrsverwaltung so nicht vorgeht, ist schon kritikwürdig genug. Tatsächlich aber wird die Bilanz noch schlechter aussehen und die anvisierten fünfzig Prozent für den öffentlichen Nahverkehr nicht einmal erreicht werden.
Denn dem Senator fehlt einfach das Geld. Schon heute weiß er nicht, wie im gesamten Stadtgebiet die nötigsten U- und S-Bahn- sowie Tram-Vorhaben realisiert werden sollen. Von den Investitionen in Höhe von sieben Milliarden Mark fehlen ihm die Hälfte. Die späteren Einwohner des Neubaugebiets in Pankow und Weißensee werden deshalb sehr viel mehr Auto fahren müssen, als es gestern Verkehrssenator Haase großspurig behauptete. Ihnen droht das gleiche Schicksal wie dem Märkischen Viertel. Noch heute warten die dortigen Bewohner auf den seit Jahrzehnten versprochenen U-Bahn-Anschluß. Dirk Wildt
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