Dick und Doof ohne Glück

Der Mannheimer ERC wirft den Geheimfavoriten und Krösus der Liga Hedos München aus dem Play-off-Viertelfinale  ■ Aus Mannheim Günter Rohrbacher-List

Von Zahlenspielen hält Jiri Lala nichts. Der tschechische Puckkünstler des Mannheimer ERC wehrte noch vor kurzem Fragen nach dem potentiellen Play-off- Wunschgegner Hedos München ab. „Wenn man auf dem Eis steht, denkt man nicht an so was.“ Doch wer die Cracks vom Friedrichspark in den letzten Wochen spielen sehen mußte, fragte sich, ob die denn von allen guten Geistern verlassen sind. Regelmäßig erreichten freitags kurz vor 22 Uhr wahre Freudenmeldungen die Sportredaktionen im Allgäu, in Krefeld und in Landshut. Das Mannheimer Publikum, oft von weit her angereist, reagierte mit Liebesentzug. Welch Glück für das clevere Management, das dieses Unheil vorausahnte und eine Zuschauer-Ausfall- Versicherung abschloß.

Doch der MERC ist wie schon im letzten Jahr dem schnellen Play- off-Tod von der Schippe gesprungen. Köln, Krefeld und Hedos München landeten in dieser Reihenfolge hinter der omnipotenten DEG. Also hieß der Gegner Hedos, der Wunschkandidat. Der Mannheimer Fastnachtsumzug rollte gerade gequält durch die Quadrate, als fernab von München schon alle MERC-Träume zu platzen schienen. Der den Mannheimern nicht gerade wohlgesonnene Bundestrainer Dr. Ludek Bukac prophezeite nach dem 3:0 von Hedos eine schnelle Entscheidung. „So hat Mannheim keine Chance.“ Doch gestärkt von der Kurpfälzer Fastnacht gelang den Mannheimer Oldies am Aschermittwoch der Ausgleich – 5:2. Hedos geriet in Zugzwang und hielt dem hohen Erwartungsdruck nicht stand. Der MERC siegte in München mit 4:1.

So mußten die Blauen am Sonntag alles wagen – und verloren alles. 16 Tage nach dem absoluten Tiefpunkt des MERC beim 1:2 gegen den abstiegsgefährdeten EV Landshut tanzte ein seiner Eishockeykluft entledigter Torhüter Peter Franke, der Beppo Schlickenrieder längst verdrängt hat, wie ein Zirkusclown über das Eis und genoß den Beifall der zuletzt noch so enttäuschten und erbosten Fans, die ein Feuerwerk entfachten wie sonst nur am Betzenberg üblich. „Dieses Play-off war nicht unser Play-off“, konstatierte ein schockierter Hardy Nilsson, der sich mit Erinnerungen an bessere Tage in Mannheim, den Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1987 mit dem Kölner EC zu tröstete.

Der fulminante Start des MERC war für Hedos deprimierend. Nach nur 30 Sekunden gelang Verteidiger Jörg Hanft auf Zuspiel von Jiri Lala das 1:0. Und derselbe Spieler nutzte nur eine knappe Minute später seine nächste Chance zum 2:0. Als Venci Sebek nach sechs Minuten gar das 3:0 glückte, skandierten die versöhnten MERC-Fans: „Hedos, Hedos, alles ist vorbei.“ Raimund Hilger für die Münchner und Peter Obresa für Mannheim sorgten für das 4:1 nach dem ersten Drittel. Doch dann kam das Hedos-Drittel. Als Gerd Truntschka eine Strafe absaß, gelang Dieter Hegen in der 24. Minute das 2:4, und Ewald Steiger schaffte gar nach einer halben Stunde den 3:4 Anschluß. Längst waren die dümmlichen Schmähgesänge auf Hegen und Truntschka („Das war Dick, das war Doof!“) verstummt und Mannheim bangte um den dünnen Vorsprung. Und auch Mike Heidts Schlagschuß zum 5:3 brachte keine Sicherheit.

Im letzten Drittel ging es pausenlos hin und her, Tore – Fehlanzeige. Bis Hardy Nilsson eine Auszeit nahm in der 58. Minute. Karl Friesen ging vom Eis, Peter Franke befiel das Nervenflattern. Eine Minute und zwei Sekunden vor dem Ende griff der Goalie am Puck vorbei – das 4:5 durch Dieter Hegen. In der Folge stieg der Konsum von Zigaretten und Herztropfen. Franke irrte vor seinem Kasten rum, sekundenlang wußte keiner, wo der Puck ist, und Georg Franz verpaßte nach 59:48 Minuten den Ausgleich. Das Halbfinale war für den MERC erreicht, doch es folgte ein viertes Drittel via Premiere aus Berlin. Als die Preußen im „Sudden Death“ das 4:3 gegen Krefeld erzielten, war MERC-Trainer Jiri Kochta überglücklich.

Gegen die Kölner „Haie“, den Halbfinalgegner ab nächsten Freitag gibt es eine positive Saisonbilanz. Spielersenior Marcus Kuhl (37), der nach dieser Saison die Schlittschuhe beiseite stellen wird, hatte schon die Woche über angekündigt: „In meinem letzten Play- off hänge ich mich noch mal so richtig rein.“ Gegen seinen alten Klub wird er nun ganz besonders motiviert sein.

Tore: 1:0 Hanft (0:30), 2:0 Hanft (1:26), 3:0 Sebek (5:10), 3:1 Hilger (7:24), 4:1 Obresa (16:58), 4:2 Hegen (20:54), 4:3 Steiger (29:46), 5:3 Heidt (36:39), 5:4 Hegen (58:58); Zuschauer: 8.000