„Violetas Zeit ist abgelaufen“

■ Nicaragua: Massenprotest der rechten Opposition gegen die Regierung bleibt aus

Eine Protestveranstaltung der antisandinistischen Koalition in Managua, die die Regierung Violeta Chamorros ins Wanken bringen sollte, brachte am Sonntag nicht die erhofften Menschenmassen auf die Straßen. Vielmehr legte die von Vizepräsident Virgilio Godoy angeführte Demonstration die Widersprüche innerhalb des antisandinistischen Bündnisses offen. Denn anders als vorher von den Politikern der zehn in der Nationalen Oppositionsunion (UNO) zusammengeschlossenen Parteien vereinbart, herrschte in den Ansprachen der radikale Diskurs vor, und immer wieder wurden Forderungen nach dem Rücktritt der Präsidentin laut. Mit 50.000 Menschen wollte die UNO den Platz der Republik füllen, um Präsidentin Chamorro drei Jahre nach dem gemeinsamen Wahlsieg über die Sandinisten zum Kurswechsel zu zwingen. Obwohl die UNO wochenlang Propaganda gemacht und Leute aus allen Landesteilen herangekarrt hatte, waren zum Höhepunkt der Veranstaltung nach Schätzungen von Beobachtern nicht mehr als 20.000 Demonstranten versammelt.

„Ich habe gehofft, daß hier nach den Wahlen die Köpfe der Sandinisten rollen“, erklärte Juana Maria Blandon, eine Aktivistin der „Konservativen Volksallianz“ ihre Entrüstung. Sie wünscht sich, daß der Präsident der USA das Land von Sandinisten reinigt. „Die einzige Lösung ist, daß die Amerikaner kommen, wie in Panama“, pflichtete ihr der Kantinenwirt Salomon Bermudez bei, „andernfalls gibt es hier in zwei Monaten ein Blutbad.“ Für die UNO-Aktivisten ist Chamorro eine Verräterin, die sich an die Sandinisten verkauft hat, weil sie General Humberto Ortega mit der Reduzierung der Armee betraute und ihr Schwiegersohn und engster Berater, Antonio Lacayo, eine Verständigung mit den Sandinisten über seinen Wirtschaftsplan suchte.

Seit die Sandinisten Anfang Januar gemeinsam mit einer Dissidentengruppe der UNO auch die Kontrolle der Nationalversammlung übernahmen und von der Legislative aus die Ausgleichspolitik der Regierung unterstützen, ist die Position der UNO noch radikaler geworden. Der machtlose Vizepräsident Virgilio Godoy, der ehemalige Parlamentspräsident Alfredo Cesar und der rechtsextreme Bürgermeister von Managua, Arnoldo Aleman führen jedes Wochenende Protestmärsche in der Provinz an und fordern ein Plebiszit gegen die sogenannte Ko-Regierung Frau Chamorros mit den Sandinisten. Unter dem Einfluß der Christdemokraten, die innerhalb der UNO die stärkste Gruppe stellen, hatten sich die Parteichefs eine Woche vor der Großveranstaltung vom Sonntag jedoch darauf geeinigt, Rücktrittsforderungen und Plebiszit aus den Ansprachen zu streichen, um das Klima für einen politischen Dialog nicht völlig zu verderben.

Daß dieses Abkommen von den Hauptrednern gebrochen wurde, liegt wohl nicht zuletzt am Publikum, das keine gemäßigten Töne hören wollte. „Dona Violetas Zeit ist abgelaufen“, drohte Alfredo Cesar, „wenn sie nicht zurücksteckt, soll sie gehen.“ Und Virgilio Godoy, der sich als „zukünftiger Präsident Nicaraguas“ ankündigen ließ, beharrte auf seiner Lieblingsidee vom Plebiszit. Wohin der Kurs geht, machte der Auftritt des Abgeordneten Humberto Castilla deutlich. Gerade aus den USA zurückgekehrt, verlas Castilla eine Grußbotschaft des ultrarechten US-Senators Jesse Helms, der versucht, die Auszahlung der Wirtschaftshilfe an Nicaragua zu verhindern. In einem Schreiben an den zuständigen Staatssekretär im State Department bezeichnet Helms die nicaraguanische Regierung als „Chamorro-Lacayo-Ortega-Terrorregime“ und schließt: „Ich bin sicher, daß dieses Regime das Ende findet, das es verdient.“ Ralf Leonhard