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Strohfeuer oder Energiekonsens

Die SPD legt ihre Position für Konsensverhandlungen fest/ Joschka Fischer sieht „Pro-Atom-Fundamentalismus bei der CDU“  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Bisher, soviel ist sicher, wirkt die Initiative des Trios Schröder, Piltz, Gieske alles andere als energiesparend. Sitzungstätigkeit und Papierproduktion in Sachen Energiepolitik erleben eine explosionsartige Expansion, seit der niedersächsische SPD-Ministerpräsident und die Chefs der beiden größten Energieversorger Veba und RWE im Dezember einen neuen Anlauf zum energiepolitischen Konsens nahmen und das „geordnete Auslaufen“ der Atomkraftnutzung verkündeten. Am Freitag debattierten Vertreter der „gesellschaftlichen Gruppen“, sprich: Gewerkschaften, Umweltverbände und so weiter, die Form ihrer Einbindung in den Politiker- Diskurs, am Wochenende steckte die SPD ihre Position ab, gestern schließlich kam es in Bonn zum zweiten Gipfeltreffen auf Ministerebene. Daß vor der Bundestagswahl 1994 mehr als ein energiepolitisches Strohfeuer herauskommt, glaubt kaum noch jemand. Das Treffen der Minister Töpfer (CDU), Rexroth (FDP), Fischer (Grüne), Gauweiler (CSU) und des niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder (SPD) war am Montag früh nach einer Stunde rasch erledigt. Man versicherte sich seiner gegensätzlichen Positionen und verabredete eine Klausurtagung für den 19. und 20. März. Da soll dann über Atomausstieg, Entsorgung, Zukunft der Kohle und anderer fossiler Brennstoffe bis hin zu Energiespartechniken, erneuerbaren Energien und internationale Auswirkungen einer Energiewende gesprochen werden.

Die Politiker-Runde soll, so jedenfalls ein Vorschlag der SPD, inzwischen 16 Köpfe umfassen: acht Vertreter der Bonner Regierungsparteien, sechs der SPD und zwei der Grünen. An einen Erfolg mag der hessische Umweltminister Joschka Fischer schon jetzt nicht mehr glauben. „Die Schröder-Initiative“, sagte Fischer gestern zur taz, „wirkt vor allem in der Atomwirtschaft“. Auf der politischen Ebene müßte „schon ein Wunder geschehen“, wenn es vor der Bundestagswahl zu einem Konsens kommen sollte.

Solcher Einschätzung leistete am Wochenende Wolfgang Schäuble erneut Vorschub. Der Bonner CDU/CSU-Fraktionsvorsteher gilt als ebenso mächtig wie energiepolitisch unbeleckt. Schäuble lehnte alle Arten von „Ausstiegsszenarien“ mit dem brandneuen Argument ab, damit werde der „Wirtschaftsstandort Deutschland“ weiter belastet. Fischer, der in der FDP eine erheblich „flexiblere Haltung“ beobachtet haben will als in der Union, sieht in den anstehenden Verhandlungen einen „Vorlauf für andere Mehrheiten“.

Daß die SPD in einem „großen Erdrutsch“ ein atompolitisches Petersberg vorbereite, glaubt der hessische Umweltminister nicht. Dazu mag die Verhandlungsposition beigetragen haben, auf die sich die Sozialdemokraten am Wochenende geeinigt haben. Zwar ist die nach Tschernobyl in Nürnberg beschlossene Zehnjahresfrist für den vollständigen Ausstieg nun wohl endgültig aus der Beschlußlage der Partei verschwunden: „Nach x Kalenderjahren wird der letzte deutsche Reaktor abgeschaltet“, heißt es jetzt lapidar. Doch soll Atomstrom künftig bis zum vollständigen Ausstieg kontingentiert werden. Die Option auf „inhärent sichere Reaktorlinien“ sei von späteren Generationen zu entscheiden, einschließlich der dazu nötigen Entsorgung. Keinesfalls sei die Entwicklung neuer Reaktoren eine „Forschungsaufgabe des Staates“. Für Michael Müller, den umweltpolitischen Sprecher der SPD- Fraktion, sind derlei Unklarheiten bei der Formulierung nicht entscheidend. „Gemeint ist: Wir halten an Nürnberg fest. Punkt“, so der Abgeordnete, der zu den Kritikern des Schröder-Vorstoßes zählt. Die SPD will außerdem die direkte Endlagerung als alleinigen Entsorgungsweg, wobei sie sich in dem Papier nicht zu den Endlagerstandorten Gorleben, Salzgitter und Morsleben äußert. Die Autoren belassen es bei dem schnöden Hinweis, „einen geeigneten Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle zu finden“, sei Aufgabe des Bundes.

Völlig ungeklärt bleibt nach dem Sitzungsmarathon der vergangenen Tage weiterhin die Rolle, die die Anfang Februar vereinbarte gesellschaftliche Arbeitsgruppe spielen soll, in der je drei Vertreter der Stromwirtschaft, der Gewerkschaften, der Umweltverbände und der industriellen Stromverbraucher über die Energiewende diskutieren sollen. Die Umweltverbände befürchten, daß dort trotz gegenteiliger gesellschaftlicher Mehrheitsverhältnisse die AKW- Befürworter über eine komfortable Mehrheit verfügen werden. Die Sorge ist berechtigt, nachdem in den vergangenen Wochen die prominentesten sozialdemokratischen Atomfreunde, der IG-Chemie-Vorsitzende Rappe und der IG-Bergbau-und- Energie-Chef Berger, ihren Anspruch als Gewerkschaftsvertreter angemeldet haben und die Industrie sechs Verhandler entsendet.

Fischer sieht die Angelegenheit gelassen. Die SPD werde wohl kaum den Einstieg in die Energiewende a la Kohl/Töpfer unterstützen, wenn Engholm es vielleicht schon in anderthalb Jahren besser machen könne. Das allerdings setzt voraus, daß das Capital nur im Kaffeesatz gerührt hat: das Magazin berichtet, der smarte SPD- Obere wolle noch vor dem Bundestagswahlkampf unbequemen „Ballast früherer Parteitagsbeschlüsse“ abwerfen.

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