Stellt sich hin und singt

■ "Play me backwards": Joan Baez sorgte souverän gelassen für viel Sentiment im klammen CCH / Die Kunst der einfachen Lieder

sorgte souverän gelassen für viel Sentiment im klammen CCH/Die Kunst der einfachen Lieder

„Du hast auf 'ne Art meine wertvolle Zeit vergeudet...“ — den letzten Zeilen des Dylan-Klassikers „Don't think twice“ verleiht sie einen nöligen Ton, den wir von ihr gar nicht kennen, als wolle sie so gleich zu Beginn ihres Programms „Play me backwards“ am Montag im CCH betonen, daß ihr immer noch keiner reinredet. So wie sie schon bald darüber lächelte, als ihr samt Combo vor ein paar Wochen ein Rassist den Zutritt zu einer Wiesbadener Disco verwehrte. Mehr allerdings amüsiert sie das lustige Englisch der Deutschen.

Joan Baez, 52, Song-Schreiberin, Sängerin, seit 1959 im Geschäft und Idol jener Nachkriegs-Baby- Boom-Generation mit dem inzwischen historischen Label „68er“, hat offenbar nicht vor, sich bei ihrem Publikum zwischen 40 und 50 Jahren und ein paar versprengten Jugendlichen in spartanischer Kluft der frühen 70er (Boots, Parka, Palästinenser-Stola) anzubiedern. Inzwischen leicht geschminkt, kurz das graue Haar, in Jeans und weißem Hemd zupft und klampft sie unbeschwert los, wohl in der Hoffnung, daß auch die Damen und Herren in den strengen Klappstuhlreihen die Seelen mal etwas lockerer baumeln lassen: Entspannt euch, ich spiel euch mal was vor.

Dezent begleitet ihre Combo (Bass, Gitarre, Schlagwerk) sie durch die Lieder ihres Lebens: die Liebesgeschichte ihrer Schwester, Songs von Bob Dylan, ihrem zeitweiligen Weggefährten — auch das verträumte „Farewell Angelina“ —, erinnert ihre musikalische Abrechnung mit Dylan in „Diamonds and Rust“, zeigt Mütterliches mit „I'm with you“ für ihren Sohn, der ist ja inzwischen schon ein „big boy“.

Die Aktivistin gegen Vietnamkrieg, Rassendiskriminierung und Ungerechtigkeit weltweit schweift nostalgisch, aber ganz lebendig durch die Volksmusik ihrer multikulturellen Heimat — wer kann schon so schön wie sie „Gracias a la vida“ zum Klingen bringen? Ganz ohne Mikro füllt sie a cappella das klamme Ambiente im CCH mit dem alten Spiritual „Swing low, sweet chariot“, nestelt dabei an den Fingern, breitet die Arme aus zum „carry me, you, us and the Ausländer home“, das letzte Wörtchen geht unter im Applaus.

„Vielleicht sehen wir uns eines Tages bei 'ner Leipziger Montagsdemo, die ja immer noch stattfinden“, und intoniert „How many roads“ — vor Sentiment ist ihr wahrhaftig nicht bange. Aber war dem Publikum etwa bange, daß es nicht öfter mitsang? jk