Betonriege dominiert CDU

■ Der Abgeordenete Thomas Siebenhüner (CDU) verläßt enttäuscht seine Partei / CDU ist ein Westberliner Wahlverein

Berlin. Der CDU-Abgeordnete Thomas Siebenhüner, der für den Bezirk Mitte im Abgeordnetenhaus sitzt, wird seine Partei verlassen und zu den Sozialdemokraten übertreten.

taz: Herr Siebenhüner, haben Sie ein psychologisches Problem, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky sagt, oder warum treten sie aus der CDU aus?

Siebenhüner: Ich habe nicht mehr menschlich-psychologische Probleme als der Herr Landowsky. Ich habe lediglich die Probleme, die auch andere in der CDU haben und nur nicht in dieser Form artikulieren. Die CDU, so wie ich sie kennengelernt habe, ist auch heute noch die Westberliner CDU. Es hat keine Änderung dahingehend stattgefunden, daß daraus eine Gesamtberliner CDU wurde. Es fehlt mir das Gefühl, daß man sich zumindest bemüht, eine demokratische Teilnahme der Mitglieder an der Willensbildung zu realisieren.

Woran machen Sie diese westliche Dominanz fest?

Die Dominanz westlicher Machtstrukturen macht sich erst mal an Personen fest. Es ist die bekannte Betonriege der Herren Diepgen, Landowsky, Buwitt, Kittelmann. Sie benutzen die CDU als eine Art Wahlkampfverein, und das ist in einer Stadt wie Berlin gegenwärtig nicht mehr akzeptabel. Sie nutzen ihre Machtmöglichkeiten und ihren Einfluß, um für ihre Interessen Mehrheiten zu bilden, denn viele Leute sind von ihnen abhängig.

Wie muß man sich diese Abhängigkeiten vorstellen?

Ein wesentlicher Grund für viele Probleme in der Partei liegt darin, daß die Beteiligung an den Willensbildungsprozessen sehr unterschiedlich ist. Es werden durch die Vergabe von Ämtern, Würden und Funktionen bestimmte Abhängigkeitsverhältnisse aufgebaut. Die wirklichen Entscheidungen finden nicht in den Gremien statt, sondern werden auf wenige Personen konzentriert. Diese Personen werden entsprechend aufgebaut. Wenn sich die alte Betonriege mal verabschieden sollte, steht mit Leuten wie Götze und Schmid schon die neue Generation bereit. Sie wird jetzt, ganz im Stile der alten, an die Macht herangeführt.

Nun wird in der Partei gerade Diepgen nachgesagt, sich in besonderer Weise um die Integration der Ost-Mitglieder zu bemühen.

Die wenigen Bemühungen, die ich zur Kenntnis genommen habe, waren mehr formal, als daß sie einen ehrlichen Hintergrund hatten. Ich bin dadurch nicht integriert worden. Ich habe eher den Eindruck, daß er viele Lippenbekenntnisse abgibt.

Wo wird ihre künftige politische Heimat sein?

Ich werde auf Fechners [parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, d.Red.] Gesprächsangebot eingehen und dann wahrscheinlich in die SPD gehen. Interview: Dieter Rulff