„Beginn eines größeren Abschiebungsprozesses“

■ Rumänien schickt 123 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurück

Budapest (taz) – Nachdem west- und mittelosteuropäische Länder das Problem illegaler Einwanderung in den vergangenen anderthalb Jahren auf die südosteuropäischen Staaten abgewälzt haben, beginnt Rumänien nun seinerseits, die Grenzen dichtzumachen. Betroffen sind davon nicht nur Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, aus Afrika und Asien, sondern auch BürgerInnen aus den GUS-Republiken und Georgien.

So wurden am vergangenen Montag erstmals 123 sogenannte „Illegale“ aus Sri Lanka und Indien unter Polizeiaufsicht zum Flughafen Bukarest-Otopeni gebracht und in ihre Heimatländer abgeschoben. Ein Sprecher des Innenministeriums teilte mit, daß die Aktion „lediglich der Beginn eines größeren Abschiebungsprozesses“ sei. In Rumänien leben nach seinen Angaben etwa 20.000 illegale Flüchtlinge aus Drittweltstaaten. Die meisten von ihnen kommen aus Sri Lanka und Somalia sowie aus Bangladesch, China und anderen schwarzafrikanischen Staaten.

Nach Auskunft eines Sprechers der rumänischen Grenzdirektion kommen sie zumeist ohne gültige Ausweis- und Einreisepapiere über die Ex-Sowjetrepubliken Ukraine und Moldova illegal nach Rumänien, wo sie darauf hoffen, einen „Weg“ nach Westeuropa zu finden. Die Möglichkeit eines Asylverfahrens besteht in Rumänien nicht, und auch in Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Polen besteht für Flüchtlinge kaum eine Chance, legal im Land zu bleiben. Da vor allem Ungarn seit Herbst 1991 seine Einreisekontrollen an der rumänischen Grenze erheblich verschärft hat, bleiben viele Flüchtlinge schließlich in Rumänien stecken.

Daneben ist seit der Grenzöffnung Rumäniens zur ehemaligen Sowjetunion auch die Zahl der Einreisenden aus den GUS-Republiken sprunghaft angestiegen. Ihr Ziel ist vor allem der Handel mit Billigwaren aus der GUS. Aufgrund des selbst zwischen Rumänien und der Ex-Sowjetunion bestehenden Preis- und Lohngefälles ist es für sie einträglicher, auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen, als in ihrer Heimat eine schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen.

Für Angehörige aller GUS-Republiken und Georgiens wurden Anfang Januar strengere Einreisebedingungen eingeführt. Sie müssen an der Grenze eine notariell und durch das rumänische Innenministerium beglaubigte Einladung eines rumänischen Staatsbürgers, vierzig Dollar pro Tag und eine gültige Rückfahrkarte vorweisen. Bürger der überwiegend rumänischsprachigen Ex-Sowjetrepublik Moldova sind davon nicht betroffen.

Betroffen sein werden von den Abschiebungen aber auch Bürger aus der Türkei, Syrien, dem Libanon, Jordanien, dem Irak und Iran. Aus diesen Ländern sind eine Vielzahl von Geschäftsleuten in Rumänien aktiv, die ihrerseits illegal in Rumänien lebende Landsleute, etwa Kurden, beschäftigen.

Auf Kritik dürfte die Praxis verschärfter Einreisebedingungen und Abschiebungen in Rumänien selbst kaum stoßen. Flüchtlinge haben zwar in den seltensten Fällen eine Möglichkeit zu arbeiten und werden vom Staat auch nicht unterstützt. Aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage hat sich jedoch bei vielen Rumänen gegen „Araber“ und „Neger“ Unmut und Haß breitgemacht. Keno Verseck