: Es ist die einzige Wahl, die in Deutschland dieses Jahr ansteht: Die hessischen Kommunalwahlen am Sonntag sind ein Barometer für die Stimmung im Lande. Doch die Frage ist, wer vom Unmut über die Bonner Politik profitieren wird. Weit über Deutschland hinaus wird beobachtet, wie die rechtsextremen Parteien bei den ersten Wahlen nach Mölln und Rostock abschneiden. Aus Frankfurt am Main Klaus-Peter Klingelschmitt
Hessische Wahlen als Testfall für Bonn
Für den hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) sind die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag eine Art Volksentscheid über die „katastrophale Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung“ (siehe Interview). Eine empfindliche Niederlage für die CDU, so Eichel, stärke auch bundesweit der Opposition den Rücken.
Daß die triste Großwetterlage in Bonn ausschlaggebend für das Votum der hessischen BürgerInnen sein wird, weiß auch der hessische CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Manfred Kanther. Das Kohl/Waigelsche Sturmtief lastet schwer auf den Kommunalwahlkämpfern von der Union. Auf dem Landesparteitag der hessischen CDU Ende Januar richtete Kanther denn auch einen flammenden Appell an die Adresse der – nach diversen Umfrageergebnissen – auf verlorenem Posten wahlkämpfenden Basis: „Anpacken statt Meckern ist die Devise – Hinstehen statt Wegducken.“ Mit „letztem Einsatz“, so Kanther, seien die BürgerInnen davon abzuhalten, aus Verärgerung über schmerzliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der deutschen Einheit am Sonntag den Urnengang zu verweigern oder für „radikale Parteien“ zu votieren.
„Hingestanden“ wird ordentlich bei der Union in Hessen: So ist etwa der in U-Haft sitzende Bürgermeister von Kriftel im Main- Taunus-Kreis, dem die Staatsanwaltschaft „Bestechlichkeit und Vorteilsannahme“ vorwirft, weiter der Spitzenkandidat der CDU auf der Kommunalwahlliste – „Hinstehen statt Wegducken!“. Und in Bad Hersfeld haben die „Christ“- demokratInnen im Kampf um das rote Rathaus die harten Bandagen ausgepackt. Auf einem Flugblatt skizzierte die Union den SPD-Bürgermeister mit langem Bart und mittelalterlichem Judenkaftan beim Abtransport eines Geldsacks aus dem Rathaus.
Als „ungeheueren Vorgang“ wertete die hessische SPD auch den Einsatz des Rauschenberger CDU-Bürgermeisters Herbert Schmitz für die „Republikaner“. Der Mann aus dem Kreisverband von Kanzleramtsminister Bohl hatte den Schönhubern im Rahmen eines „Kommunalpolitischen Seminars“ das politische Know- how für die künftige Kreistagsarbeit vermittelt und offen eine „gewisse Sympathie“ für die Reps bekundet. Offenbar, so SPD-Landesgeschäftsführer Schmitt, wolle die CDU die Reps für eine schwarz- braune Koalition „fitmachen“ – „und der Landesvorsitzende Kanther schweigt beharrlich zu diesem Vorfall“.
Doch auch die Sozialdemokraten sind nicht zimperlich, wenn's um den Machterhalt geht: Landesweit für Aufsehen hat ein Flugblatt der SPD in Hofgeismar gesorgt, in dem die Grünen als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet worden waren, die in den Parlamenten „nichts zu suchen“ hätten. Die WählerInnen, so die Sozis aus der Provinz, sollten die Grünen aus dem Rathaus „jagen“ – für den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen im Landtag, Reinhold Weist, eine Sprache, die an „unselige Zeiten in Deutschland“ erinnere.
In Frankfurt am Main haben die Sozialdemokraten im Kommunalwahlkampf erst auf der Zielgeraden erkannt, daß bundespolitische Themen bei den WählerInnen Konjunktur haben: „Nur die SPD schützt Sie vor dem unsozialen Griff der CDU in Ihre Taschen“, heißt die neue Headline auf den Wahlplakaten der Metropolen-Sozis.
Sowohl in der von „IPOS“ in Mannheim durchgeführten Umfrage als auch in einer im Auftrag der Landesregierung erfolgten Erhebung kommt die Koalition aus SPD und Grünen in Frankfurt auf mehr als 50 Prozent der Wähler Innenstimmen. Nach Auffassung der Auguren werden die Grünen die eigentlichen Wahlgewinner sein: 15 Prozent hat IPOS für die Umweltpartei eruiert – und die Umfrage fand noch vor dem verheerenden Chemieunfall bei der Hoechst AG statt.
„Große erkennbare Leistungen“, so wird selbst bei den Grünen im Römer eingeräumt, hat die rot-grüne Koalition in der ausklingenden Legislaturperiode nicht vollbracht. Und deshalb sei die Wahl am Sonntag auch eher eine „Stimmungswahl“ – und eine „Persönlichkeitswahl“. Ihre „Persönlichkeiten“ haben die Grünen stadtweit plakatiert: Tom Koenigs, Uli Baier, Margarethe Nimsch, Jutta Ebeling... Und der „Wa(h)lfisch“ der Grünen ziert selbst die Bierdeckel in den Stammlokalen der Szene.
Die großen Unbekannten in diesem Wahlkampf nicht nur in Frankfurt sind dagegen die „Republikaner“. Von IPOS wurden sie mit 6,7 Prozent gehandelt. Doch bei den etablierten Parteien geht man davon aus, daß sich bei Umfragen nicht alle potentiellen WählerInnen rechtsradikaler Parteien im Vorfeld der einsamen Entscheidung in der Wahlkabine zu ihren Neigungen bekennen. So befürchtet etwa der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Römer, Lutz Sikorski, daß die Reps ein zweistelliges Ergebnis „einfahren“ könnten – „ohne im Wahlkampf auch nur einen Finger krumm gemacht zu haben“.
Deshalb sehen es gerade die Grünen nicht ungern, daß die SPD in der Endphase des Wahlkampfs endlich die soziale Frage entdeckt hat und bei ihrer klassischen Klientel um Stimmen wirbt. Die bislang etwa für Oberbürgermeister Andreas von Schoeler bedeutende Frage, ob demnächst die EG-Zentralbank nach Frankfurt kommen wird, interessiere an der vom Sozialabbau bedrohten Basis gerade der SPD nämlich zur Zeit keinen Menschen, analysierte Sikorski bereits vor Wochenfrist. Hessens Grüne richteten am Montag noch einmal einen eindringlichen Appell an alle WählerInnen: „Diese Wahl wird nicht nur bundes-, sondern weltweit mit besonderem Interesse betrachtet. Deshalb ist es wichtig, ein deutliches Zeichen für ein demokratisches, weltoffenes Hessen zu setzen und den rechten Parteien eine deutliche Abfuhr zu erteilen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen