Nachschlag

■ Der „Restaurant-Club Berlin 2000“ verspricht sportliche Menüs

Wer bis dato meinte, der abendliche Restaurantbesuch hätte allein mit entspanntem Zurücklehnen, mit der Überlistung aller Tagesunbill und vielleicht noch mit der Rechnung fürs Finanzamt zu tun, dürfte künftig angesichts einer gelb-weißen, häßlichen Menü-Karte eines Besseren belehrt werden. Vorbei die Zeiten, als die Sportivität des kulinarischen Aktes ihre einzig meßbare Größe im Wadenumfang der Bedienung hatte. Fortan soll der Zeit- und Tafelgeist über den Gedecken schweben, zu feinen Weinen mag die Vielstimmigkeit der Tischgesellschaft in den einmütigen Chorus Pro-Olympia-2000 in Berlin münden. Auf diese mephistophelische Idee kam die „Berlin 2000 Marketing GmbH“, sozusagen der Geldarm der offiziellen Bewerbung. Deshalb ist die Werbe-Klamotte auch begrenzt bis zu jenem magischen 23. September, wenn das IOC die Spiele – tja, an wen? – vergeben wird.

Bis dahin also wollen die Marketing-Strategen ihr Logo mit den intereinandergekrallten Nullen und das Punkt-Punkt-Komma-Strich-Bärchen unter Berlins Gastronomen verwerten. Und das wegen des gewünschten Effekts – alle mit einer Zunge, Essen gegen böse Videos – gar nicht mal ungünstig. 1.500 Mark soll die Wirte die Verwendung der geschützten Symbole kosten, inbegriffen ist der Titel eines „Member of the Restaurant-Club Berlin 2000“. Im Gegenzug haben sie zwischen zwei schnöde Pappdeckel („Ihr Olympia-Restaurant“) das dem Zweck entsprechende Angebot zu klemmen: „Mit frischen Zutaten, vitaminreich, kalorien- und ernährungsbewußt zubereitet – ganz im sportlichen Sinne.“

Zu Tische getragen wurde das Bärchen am Montag im Opernpalais – und so elegant wie der Ort war das anwesende Personal. Bevor allerdings der Mit-Initiator Siegfried Rockendorf seine Ideen zur kulinarischen Verbesserung Berlin-Brandenburgs vortragen konnte, hatte der Herr Dr. Händel von der Marketing GmbH das Wort. Er nutzte die Gelegenheit, erneut zu beweisen, wie erfrischend ehrlich die Berliner Olympia-Bewerbung ist. Sie trägt der Tatsache Rechnung, daß der Rekurs auf ideelle Größen, die einmal gegolten haben mögen, sentimental wäre, wenn sie nicht in ihrem marktwirtschaftlichen Wert quantifiziert und beziffert werden. Aber ohne den Konservatismus des Ideellen kommt auch der Werbestratege nicht aus: „Willkommen in der großen Familie der Lizenznehmer“, rief er den versammelten Nobel-Gastronomen zu. Rockendorf hat derweil konkrete Vorstellungen von der Re-Etablierung der hiesigen Küche, die im Hauptgang einen Frischlingsrücken vom Stechlin, mit Schwarzbrotkruste überbacken und der Sauce von Sauerkirschen, umfassen könnte. Als Nachspeise würde dann ein Sorbet von Berliner Weiße gereicht. Als Geschäft unter Sportsfreunden ginge das in Ordnung, Essen als olympische Disziplin ist aber zum Glück noch nicht eingeführt. Bernd Gammlin