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Ein Prestigeverlust für die Wasserkraft-Industrie

■ Janos Vargha, Biologe und Vorsitzender des 1984 gegründeten „Donaukreises“, zu den Gabčikovo-Interessen Ungarns, der Slowakei und der EG

taz: Warum hat die ungarische Regierung in den letzten Monaten eine gemäßigtere Haltung zu Gabčikovo eingenommen?

Janos Vargha: Die Regierung hat gegenüber dem entschiedenen Nein des Parlamentes zu Gabčikovo leider immer eine sehr widersprüchliche Politik betrieben, weil es in ihr auch Anhänger des Staustufenprojekts gibt. Außerdem hat die ungarische Außenpolitik in ihre Erwägungen einbezogen, daß die Interessen der ungarischen Minderheit in der Slowakei besser vertreten wären, wenn man akzeptierte, daß Gabčikovo in Betrieb geht. Das ist Nonsens. Wir haben in unseren Stellungnahmen schon 1985 gesagt, daß die Ungarn in der Slowakei nicht zu Geiseln werden dürfen, derentwegen dann Kompromisse gemacht werden.

Glauben Sie, das Parlament wird sein Nein zu Gabčikovo vom letzten Frühjahr revidieren?

Es gibt zumindest einen großen Druck auf das ungarische Parlament. Die Einbeziehung der EG betrachte ich auch als einen solchen Versuch: Die ungarische Regierung kann sich dann gegenüber dem Parlament auf die Forderungen des „Westens“ berufen. Die EG ihrerseits beschäftigt in dieser Sache Experten, die fachlich schwach oder sogar manipuliert sind, weil sie unter slowakischer Leitung arbeiten. Der EG-Expertenausschuß hat sich zum Beispiel ausgedacht, daß man Versuchsdämme in Betrieb nehmen soll. Wenn Schäden an der Natur entstehen würden, könne man das Projekt ja stoppen.

Welche Rolle spielen in Ungarn Leute, die mit Gabčikovo eine nationalistische Politik betreiben?

Ich kann nicht bestreiten, daß in beiden Ländern nationalistische Politiker die Angelegenheit für ihre Interessen ausgenutzt haben. In Ungarn ist der allergrößte Teil der Opposition gegen Gabčikovo jedoch glücklicherweise gemäßigt, in allen Parteien. Man muß sehen, daß es nicht um einen ungarisch- slowakischen Konflikt geht. In beiden Ländern gibt es Leute, die an Gabčikovo interessiert sind, und solche, die dagegen sind.

Wie argumentiert der Donaukreis gegenüber nationalistischer Anti-Gabčikovo-Propaganda?

Wenn einige Kräfte in Ungarn diesen Konflikt dazu benutzen wollen, um die Grenzen des Pariser Friedensvertrages von 1919 neu festzulegen, dann ist das krankhaft. Solche Leute darf man nicht unterstützen. Wir müssen einen Standpunkt einnehmen, der klar zum Ausdruck bringt, daß es um ein Flußtal als eine ökologische Einheit geht, völlig unabhängig davon, um welches Land es sich handelt.

Erwarten Sie, daß der gerade berufene neue Umweltminister Ungarns entschiedener gegen Gabčikovo auftritt?

Ich glaube nicht, daß der jetzige Personenwechsel wirklich etwas bewirkt. Es geht nicht nur darum, daß endlich eine Teilung von Regierung und Wirtschaft stattfinden muß. Die Gabčikovo-Angelegenheit muß in Ungarn auch weit mehr öffentlich behandelt werden. Nach 1988 konnte die kommunistische Macht es sich nicht mehr erlauben, geheim zu verfahren. Jetzt hingegen strebt die Regierungspolitik nach immer mehr Geheimhaltung, besonders bei den Verhandlungen mit der EG.

Welche Haltung nimmt die EG in dem Konflikt ein?

Ich glaube, daß man auf höchster EG-Ebene das Problem nicht wirklich versteht und ihm uninteressiert und gleichgültig gegenübersteht. Die EG-Politiker haben ein Interesse daran, die osteuropäischen Länder aus wirtschaftlichen Gründen gegeneinander auszuspielen, sie von der Gemeinschaft fernzuhalten. Die EG ist nicht daran interessiert, daß sich die betroffenen Länder einigen, sondern daran, hier Atomkraftwerke zu bauen. Die EG betreibt in der Gabčikovo-Sache keine wirklich eigenständige Politik. Es wäre besser, die UNO, vielleicht sogar den Sicherheitsrat oder aber den KSZE-Krisenmechanismus einzuschalten; die UNO könnte etwa Wirtschaftssanktionen gegen die Slowakei verhängen.

Wenn man sich die Haltung der Slowakei anschaut, dann entsteht der Eindruck, daß es eigentlich gar nicht mehr um das Wasserkraftwerk geht. Weshalb soll das Projekt durchgezogen werden?

Riesenprojekte wie Gabčikovo sind zumeist unwirtschaftlich, Privatkapital spielt in ihnen kaum eine Rolle, sie werden mit öffentlichen Mitteln gebaut. Ich glaube, neben der Tatsache der Stromproduktion, die in keinem Verhältnis mehr zum investierten Kapital steht, geht es um öffentliche Investitionen in der Zeit einer Wirtschaftskrise. Eine Rolle spielt außerdem, daß die Wasserkraft-Industrie bei einem Stopp des Gabčikovo-Projektes europaweit einen schweren Prestigeverlust erleiden würde. Interview: Keno Verseck

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