Durchs Dröhnland
: Keine Mätzchen, kein Vertun

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Die wirklich großen Zeiten des englischen Folk sind vorbei, seit Oberzahnlücke Shane McGowan als Sänger der Pogues abgedankt hat und für den zwar guten, aber unpassenden Joe Strummer das Feld räumte. Nie so versoffen wie die Pogues, aber fast so flott und melodiös wie The Men They Couldn't Hang ist die Oyster Band, die aber leider jede Ähnlichkeit mit der rauhen Schale der namensgebenden Muschel vermissen lassen. Trotz der Weichspültendenzen ist geigenquälender Frohsinn garantiert.

Am 5.3. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Keine Ahnung, welcher Promoter vom Teufel geritten wurde, als er Marquee Moon 1987 als Vorgruppe für die Altherrenrocker Kinks verpflichtete. Damals galten die zerzauselten jungen Herren als eine der hoffnungsvollsten Berliner Bands, aber damals trugen auch noch mehr Menschen vornehmlich schwarzes Leder, schwarze Stirnbänder, schwarze Rüschenhemden und überaus schwarze Sonnenbrillen. Die Zeiten aber haben sich geändert und sind ernster geworden, die Musik macht da – ganz opportunistisch – die gegenläufige Entwicklung. Entsprechend antiquiert kommt der Sequenzer- Taumel auf Marquee Moons neuester Platte „Angst + War“ daher, mit der sie sich nach drei langen Jahren, in denen sie eigentlich keiner vermißt hat, zurückmelden. Zugute halten muß man ihnen immerhin, daß sie sich zwischen all der gnadenlosen „Witschigkeit“, die keine Grenzen mehr kennt, immerhin treu geblieben sind. Und wenn sie in ihren besten Momenten die Intensität der Young Gods, wenn auch nicht deren grandioses Splittern, erreichen, dann spielen sie durchaus den Soundtrack zu den neuen, bösen Zeiten.

Am 5.3. um 20 Uhr mit Disabled Forces im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Eine durchaus nicht übliche Entwicklung durchlief seit der Gründung 1985 Die Seuche. Vom Humbtata-Punkrock mit englischen Texten ist man inzwischen bei durchaus modernem Metal, dem üblichen Dampframmen- Gebolze mit erholsamen Doom- Einsprengseln, angelangt. Dummerweise war die Berliner Band, bei denen die Musikstile ebenso purzelten wie die Mitglieder, immer einen Tick zu spät an den allgemeinen Innovationen dran. Am interessantesten sind noch die deutschen Texte, wenn man sie denn versteht. Gerüchteweise sollen sie wie von Bukowski sein oder auch irgendwie von Burroughs oder auch nicht – auf jeden Fall deutsch. Immerhin dies macht sie einzigartig im Genre.

Am 6.3. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Die Aufsteiger des letzten Jahres. Was soll man über sie schon noch sagen, außer daß sie schlicht großartig sind? 18th Dye haben die beste Berliner Platte des letzten Jahres gemacht und sind deshalb zum Headliner eines Ostberliner Abends erkoren worden. Als Dreingabe gibt es die seit knapp zwei Jahren bestehenden Desmond Q. Hirnch, die sich an durchaus Ähnlichem versuchen, aber dabei doch recht eindimensional bleiben. Sie spielen entweder Rock oder Lärm, selten beides zur gleichen Zeit, was beide Teile erst erträglich machen würde und was 18th Dye so vorzüglich beherrschen. Trotzdem ein netter Versuch. Die Quartered Shadows fanden sich zwar in Ostberliner Hausbesetzerkreisen zusammen, sind aber eine zusammengewürfelte Band aus West und Ost, und die beiden Gitarren werden von zwei Herren aus Catania, Sizilien, bedient, die auf der Flucht vor der Mafia hier gestrandet sind. Wer die Quartered Shadows von Platte her kennt, wird ihren kraftvoll vorwärtstreibenden Rock bewundern, der manchmal sogar das Anhängsel Roll verdient und vor allem mit einem ehrlich wunderschönen Pathos glänzt, zu dem nur Bruce Springsteen oder eben Italiener in der Lage sind. Wer sie dagegen live gesehen hat, wird die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht haben, je nachdem unter welchen Drogen sie gerade standen. Da hört man nichts außer den Gitarren, oder es wird einem von der Hammond-Orgel der letzte Eckzahn gezogen. Eine echte Live-Band also.

Am 7.3. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Party-Bands, die überzeugt zu ihrer Aufgabe stehen, sind leider selten geworden. Die Jever Mountain Boys sind, wie der Name schon sagt, ganz überzeugt von ihrem Tun. Die fünf Herren haben auch hauptberuflich bei Kapellen wie Die Haut, All But Science und den Einstürzenden Neubauten genug zu tun. Deshalb sind sie wahrscheinlich in der Lage, so befreit, ganz ohne Leistungsdruck aufzuspielen. Das Covern ist Konzept, eigene Stücke bei Androhung von Bierentzug verboten. Hank Williams und andere Country-Klassiker werden bemüht, aber auch die Ramones oder Motörhead nicht geschont. Das Beste ist gerade gut genug, um aus einer abgesicherten Position heraus bearbeitet zu werden. Und wer nichts zu verlieren hat, kann unbeschwert in die Offensive gehen. Den souverän- selbstverständlichen Ansatz der Jever Mountain Boys würde man allen Bands gerne wünschen.

Am 7.3. um 22 Uhr mit den Mavericks im Dschungel, Nürnberger Straße, Charlottenburg

Laßt uns ein Märchen hören. Im Städtchen Frankental in der Nähe von Mannheim gibt es zwei Jugendfreunde, die all die Jahre immer achtlos aneinander vorbeigehen, obwohl sie beide musikalisch füreinander geschaffen waren. Als sie sich schließlich in einem – wahrscheinlich düsteren – Übungskeller begegnen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Jetzt brauchen sie nur noch zehn Jahre, um von Siebziger-Rock bis Gitarrenpop alles durchzuprobieren. Inzwischen hat der Sänger entdeckt, daß er seine Stimmbänder so quetschen kann, daß es ganz passabel nach Soul klingt. Der Kumpel kauft sich eine Menge Technik und bastelt ganz begeistert. Danach fühlen sie sich dann bereit für den großen Vertrag und kriegen ihn doch tatsächlich. Jetzt spielen sie für „Virgin“ so was wie klassischen Soul, dem man den Pelz mit einem Laser verbrannt hat. An jeder Ecke wird die Seele so rausgequält, daß sie sich schmerzverzerrt schnell davonmacht. Six Was Nine geht leider ausgerechnet die Lockerheit ab, die den Schmalz im Soul erträglich machte. Aber dann wäre das Märchen zu schön gewesen.

Am 9.3. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Ich habe schon immer die dreiste Herangehensweise des schwedischen Volkes an vor allem amerikanische Musiken bewundert. Das mag jetzt ironisch klingen, aber wenn man sich anschaut, welche Kopfschmerzen und welches Magengrimmen den gemeinen deutschen Amiphilen so schütteln, kann man nur staunen über Nomads, Leather Nun etc. Auch wenn es im Norden etwas ruhig geworden ist, es gibt sie noch. Gitarre schnell, Schlagzeug schnell, Bass schnell, Gesang schnell, keine Mätzchen, kein Vertun, immer geradeaus. Das Break ist in Schweden noch nicht erfunden und um nicht festzufrieren, muß man eben schnell sein, richtig schnell, einfach nur schnell. Diesmal heißen sie loveScuds und spielen primitiv, aber so geschwind, daß jeder einzelne der Songs, die sich übrigens alle gleich anhören, auf der Zunge zergeht. Das Zeug ist wie Softeis: kaum im Mund, schon geschmolzen, deshalb umgedreht und nochmal gehört. Sängerin Louise wird übrigens gerne mit Chrissie Hynde verglichen, was Quatsch ist, aber auch nichts zur Sache tut. Für die schlichte Verführung ist ihre Stimme gerade gut. Die Genialität liegt immer noch in der Beschränkung. Warum begreifen das nur Schweden?

Am 11.3. um 22 Uhr im Knaack Thomas Winkler