Friedenssignale als militärische Taktik

In Sri Lanka sind Hoffnungen auf ein Ende des Bürgerkrieges trotz positiver Signale der tamilischen Tiger verfrüht/ „Friedensmission“ zu großem Waffentransport genutzt  ■ Aus Neu-Delhi Bernard Imhasly

Das Frachtschiff „MV Ahad“, das am 14.Januar 1993 auf hoher See durch die indische Marine aufgebracht wurde und zwei Tage später durch Selbstexplosion sank, wurde auch für zehn Mitglieder der „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) zum Grab. Der prominenteste unter ihnen war S. Krischnakumar, der unter seinem Kriegsnamen „Kittu“ zu den engsten Vertrauten des LTTE-Führers Prabhakaran gehörte. Kittu hatte nach seiner Ausweisung aus Großbritannien mit einer Zwischenstation in der Schweiz in Skandinavien Asyl erhalten. Seine Präsenz in Europa machte ihn zum Anlaufpunkt für Versuche einer internationalen Friedensregelung zwischen der srilankischen Regierung und den sezessionistischen Tamilen im Norden des Landes. So gab das LTTE-Büro in Paris kurz nach dem Selbstmord auf der Ahad bekannt, daß Kittu sich mit einem europäischen Friedensplan auf dem Weg zur LTTE-Spitze befunden habe.

Doch warum brauchte Kittu ein ganzes Frachtschiff, um seinen Friedensplan nach Jaffna zu bringen? Die Befragung der zehn Überlebenden durch die indischen Behörden förderte zutage, daß die MV Ahad nicht nur die Botschaft des Friedens, sondern auch jene des Kriegs an Bord hatte: Das Boot war gefüllt mit Waffen, Munition und logistischem Kriegsgerät. Die LTTE hat in ihrem langen Kampf gelernt, sowohl den Krieg als auch den Frieden als Mittel für ihre politischen Ziele einzusetzen.

So lassen sich auch die Zeichen deuten, die Kooperationsbereitschaft aus der Richtung der Jaffna- Halbinsel signalisieren. Dazu gehörte nicht nur das beinahe traditionelle Angebot eines Neujahrswaffenstillstands. Ein Treffen des anglikanischen Bischofs Kenneth Fernando mit Prabhakaran hatte in Colombo Aufsehen erregt, vor allem, da der LTTE-Chef seine Bereitschaft für weitere Gespräche „mit Intellektuellen“ bekundet hatte. Gleichzeitig schienen die Guerilleros in ihrem Widerstand gegen die Repatriierung von tamilischen Flüchtlingen aus Indien nachzulassen, und es gab Berichte, wonach LTTE-Kader begonnen hätten, bei der muslimanischen Minderheit im Osten des Landes um Vertrauen zu werben.

Alle Signale deuteten darauf hin, daß die LTTE sich dem Verhandlungstisch nähert – gezwungen durch die militärische und wirtschaftliche Zuschnürung der Jaffna-Halbinsel durch die Regierungstruppen, aber auch Richtungskämpfe zwischen Prabhakaran und seinem Stellvertreter Mahattya. Der Rahmen der Verhandlungen ist bereits vorgegeben: Autonomie statt Unabhängigkeit. Kittus Waffentransport bei der „Friedensmission“ zeigt, daß ein solches Szenario Wunschdenken entspringen könnte. Dafür spricht auch die Situation auf der Seite der Regierung: Den Offensiven der srilankischen Armee fehlt nach wie vor die Fähigkeit – und wohl auch der politische Wille –, die Halbinsel im Norden zu erobern und von den Guerilleros zu „säubern“. Eine solche „Befriedung“ ist selbst für den Nordteil der Hauptinsel nicht möglich. Trotz der Verluste der Guerilla zeigt die hohe Zahl von Deserteuren auf der Regierungsseite, daß der Armee neben der Ausrüstung nach wie vor die psychologische Kampfbereitschaft fehlt, die ein erfahrener und disziplinierter Gegner wie die LTTE fordert. Die Attentate auf den Kommandanten der Armee und der Marine im letzten Halbjahr zeigen, daß die LTTE den Guerillakrieg jederzeit ins Herz des Gegners tragen kann.

Auch auf der politischen Ebene weiß sich die Organisation am längeren Hebel als die moderaten Tamilen-Gruppen, die seit Jahren versuchen, eine politische Alternative zu der radikalen LTTE aufzubauen. Dies bestätigt der mißglückte Versuch eines Allparteienkomitees, für eine solche Alternative erstmals einen breiten Konsens zwischen Singhalesen und Tamilen zu erarbeiten. Als die Kommission Ende letzten Jahres vor einem Durchbruch stand, brachte sie die regierende UNP-Partei in letzter Minute zum Scheitern. Der Verdacht, daß sich die Regierung ihre Verhandlungsposition mit der LTTE nicht durch einen verbindlichen Positionsbezug einengen wolle, mag falsch gewesen sein. Er beweist aber, daß die LTTE auch politisch eine Hürde darstellt, an der in Sri Lanka niemand vorbeikommt.