: Wahl zwischen Vergewaltigung und Ausweisung
■ Zwei spanische Polizisten sollen eine Marokkanerin vergewaltigt haben
An jenem Nachmittag des 15.August 1991, so berichtet der 33jährige Polizist Pablo Márquez, habe das Fräulein Amina Atouche in provokanter Haltung an einem Brunnen des Madrider Platzes Puerta del Sol gesessen. Márquez war mit seinem zehn Jahre älteren Kollegen José Martin Chavarri privat unterwegs, doch da „ein Polizist 24 Stunden am Tag im Dienst ist“ (Chavarri) und „dort im Stadtzentrum sowieso lauter Delinquenten, also Neger und Araber, rumlaufen“ (Márquez), näherten sich die beiden Polizisten dem provokanten Fräulein und baten sie um ihre Papiere. Die 30jährige Marokkanerin habe ihnen erklärt, die Dokumente seien in ihrer Pension, man könne dort kurz hinlaufen. Die drei machten sich auf den Weg, und Amina, so die beiden Polizisten, zeigte sich lächelnd und anmacherisch, so daß sie sich gewisse Hoffnungen auf ein kurzes Vergnügen machten.
In der Pension wacht nun leider ein Drachen in Person der Wirtin über die Moral der Bewohner, eine Person, die offensichtlich „Polizisten nicht leiden kann“ (Chavarri), und so beschränkt sich der Besuch auf das Abholen von Arbeitserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis und Paß. Im Halbdunkel der Pension, so José Martin Chavarri, sei es ihm vorgekommen, als fehle dem Paß ein Stempel, und er habe Wirtin und Paßinhaberin mitgeteilt, man müsse zum Kommissariat, um das nachzuprüfen. Draußen auf der Straße habe er hingegen festgestellt, daß der Paß vollständig und die Situation der Marokkanerin gänzlich legal sei, und in der allgemeinen Zufriedenheit habe man sich geeinigt, gemeinsam ein Glas heben zu gehen und sei dann auf die Idee gekommen, sich doch lieber zu verlustieren. Man habe zu dritt eine den Polizisten bekannte Pension aufgesucht, dort 2.000 Peseten (30 Mark) für ein Zimmer bezahlt, und dann habe erst Chavarri und dann sein Kollege mit der „die ganze Zeit lächelnden und fröhlichen“ (Chavarri) Marokkanerin geschlafen.
„Sie hat niemals zu etwas nein gesagt“, versichert Chavarri später. Geld erhielt sie nicht dafür, und trotzdem war das Vergnügen offenbar vor allem auf ihrer Seite, denn „sie ist nicht sonderlich hübsch, so daß es sich eigentlich nicht lohnte“, wie Márquez erklärt. Die beiden Polizisten, die auf illegale Ausländer angesetzt sind, hätten mit ihr eigentlich geschlafen, um von ihr Informationen über andere Marokkaner zu bekommen. Nein, die übliche Art der Informationseinholung sei das nicht (Márquez), sonst würden sie ja schnell an Aids sterben.
Amina Atouche, das „provokante Fräulein“, hatte das Geschehen ziemlich anders erlebt als die beiden Polizisten und erstattete am selben Tag Anzeige wegen Vergewaltigung und Amtsanmaßung. An jenem Sommertag, berichtete sie Anfang dieser Woche vor Gericht, sei sie auf dem Weg zur Arbeit von den beiden Polizisten um ihre Papiere gebeten worden. In der Pension hätten die beiden ihr erklärt, an ihrem Paß sei etwas nicht in Ordnung, sie müßten sie zur Ausländerpolizei bringen. Auf der Straße hätten die beiden Polizisten aber nicht der Weg zur Ausländerbehörde eingeschlagen und auf ihr Nachfragen erklärt, sie seien auf dem Weg zu einem vertrauenswürdigen Ort.
Im Hotelzimmer sei sie angewiesen worden, sich auszuziehen, und habe geglaubt, sie solle durchsucht werden. Einer der beiden habe ihre Handtasche auf einen Tisch gelegt und daneben ein Päckchen Haschisch und Handschellen. „Wir würden dich ungern wegen Rauschgifthandels abführen, denn das kann dich mindestens einen Monat Knast kosten“, hätten die beiden ihr erklärt, doch wenn sie nett sei, lasse sich das vermeiden. Sie habe entsetzliche Angst gehabt, vor Gericht gestellt und ausgewiesen zu werden. Sie habe in jenem Hotelbett geweint, sagte Amina Atouche vor Gericht, gewehrt hätte sie sich aus Angst vor den Polizisten nicht. Sie habe lange gezögert, Anzeige zu erstatten, und es nur getan, weil ihr Chef sie gewarnt habe, so etwas könne sich wiederholen.
Die beiden Polizisten haben neun Monate im Knast verbracht und seither abwechselnd erklärt, Amina Atouche sei eine Nutte und sie hätten sie bezahlt bzw. sie sei eine Gelegenheitsnutte und habe es gratis gemacht bzw. sie sei keine Nutte und habe es gemacht, um von ihnen Hilfsleistungen für das Einbringen von Familienangehörigen aus Marokko zu erlangen. Der Portier der Pension, die die drei aufsuchten, sagte vor Gericht aus, die beiden Polizisten seien häufiger zu Gast in der Herberge, und immer in Begleitung ausländischer Frauen. Da sie Polizisten sind, bekämen sie spezielle Preise und würden nicht ins Hotelbuch eingetragen.
Der Verteidiger der beiden plädiert auf Freispruch wegen Mangels an Beweisen. Amina Atouche sei kein Schulmädchen, sondern eine gestandene Frau, die gewußt habe, worauf sie sich einließ. Die Staatsanwältin plädiert auf 15 Jahre Haft, da die beiden Polizisten die unsichere Situation der Ausländerin ausgenutzt hätten.
Amina Atouche, eine hübsche, gepflegte junge Frau, zeigt sich selbstbewußt und klar vor Gericht und geht dann auf den Gang heulen. Das Urteil ergeht in etwa zwei Wochen. Antje Bauer
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