: Asyl: Union will Schlupfloch Flughafen verstopfen
■ Bei der ersten Lesung der Asylverfahrensgesetze sattelt die Union nochmals drauf
Bonn (taz) – Nun sollen auch noch die Flughäfen dichtgemacht werden. Step by step arbeiten sich die Asylkoalitionäre durch das Gesetzespaket, das die im Dezember getroffene Vereinbarung zwischen Regierungsparteien und SPD umsetzen soll. Über 150 Seiten Text zu Asylverfahren, Ausländer-, Staatsbürger- und Leistungsrecht lagen gestern zur ersten Lesung im Bundestag vor. Die Abgeordneten hatten sie gerade einen halben Tag vorher erhalten, denn es gehört zu den unvermeidlichen Übeln des ganzen Verfahrens, daß sich die Unterhändler von SDP, FDP und Union immer erst in letzter Minute auf die Gesetzentwürfe einigen. Und auch dann hört das Tauziehen noch nicht auf. Dem gestern eingebrachten Entwurf für die neue Sozialhilferegelung hatte die SPD nicht zugestimmt, weil er über die Dezember-Einigung hinausgeht. Die Unionsredner nutzen auch diese Gelegenheit wieder, um draufzusatteln.
So fügte Erwin Marschewski (CDU) seinem wohlwollenden Lob für die SPD („habe ihr ernsthaftes Bemühen erkannt“) umgehend einen Zusatzwunsch an: Auch die Flughafeneinreise von Flüchtlingen soll so abgeschottet werden, daß diese „ohne besondere Verfahren in Transitländer zurückgeflogen werden können“. Damit wäre das letzte Einfallstürchen in die Bundesrepublik verschlossen. Auch Bundesinnenminister Seiters (CDU) wiederholte diesen Vorschlag, von dem mithin angenommen werden muß, daß er im Innenministerium ernsthaft verfolgt wird. Unisono vertraten die Unionsredner außerdem den Wunsch, die Listen sicherer Dritt- und Herkunftsstaaten auszuweiten. Als sichere Drittstaaten – das sind die Länder, über die Flüchtlinge ihren Weg in die Bundesrepublik finden und in die sie künftig zurückgeschoben werden können– gelten Österreich, Polen, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die Koalitionsparteien wollen zusätzlich die skandinavischen Länder, Ungarn und die Slowakische Republik aufgenommen sehen. Als sichere Herkunftsländer (bisher Bulgarien und Rumänien, mit Vorbehalt Polen, Ungarn, die Slowakische und die Tschechische Republik) will Seiters Ghana, Indien, Gambia und den Senegal nennen.
Während die Union nach der klaren Marschroute operierte, den Asylkompromiß so weit wie möglich in Richtung Abschottung zu treiben, mühte sich die SPD, solchen Übereifer zu dämpfen. Überwiegend an die eigenen Reihen wandte sich Gerd Wartenberg, der die Asylvereinbarungen mit den Regierungsparteien mitverhandelt hat, als er das fortgesetzte „Dillemma“ der deutschen Asylpolitik beschrieb. Der Artikel 16, so Wartenberg, sollte „die Bundesrepublik deutlich herausheben aus der Vergangenheit, aus der sie kommt“, und doch habe es immer eine stillschweigende Übereinkunft gegeben, daß die unkontrollierte Zuwanderung unerwünscht sei. Dieser Widerspruch sei gerne verdrängt worden. Seit 1989, seit also die Ostblockstaaten als „wirklicher cordon sanitaire“ weggefallen seien, sei das nicht mehr möglich. Auch das neue Recht, zu dem er stünde, löse das Dilemma nicht auf. Wartenberg wiederholte noch einmal die sozialdemokratische Forderung, die Verträge mit Polen und der Tschechischen Republik vorzulegen, denn „ohne Regelung wird nichts funktionieren“.
Ein Lichtblick der Debatte war immerhin, daß die Union bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft zusehends unter den Druck aller anderen Fraktion und Gruppen des Parlaments gerät. Tissy Bruns
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen