Medien-Zentrum für die ganze Familie?

■ Diskussion im Filmhaus: Medien-Leute suchen das Gespräch mit Anwohnern / Verkehrsproblem nicht gelöst

/Verkehrsproblem nicht gelöst

Ein Medien-Zentrum sucht Kontakt zum Stadtteil. Die alte Zeise- Fabrik in Ottensen, neue Heimat für Kinos, Film- und Video-Bibliothek, Nautilus-Buchhandlung, Galerie, Filmverleih- und Produktionsfirmen und Kindergarten liegt neben dem „Eisenstein“. Das für seine Pizzen berühmte Lokal hatte im August 1988 noch Hunderte von Ottensern derart aufgebracht, daß sie hier zur Volksküche einluden: „Nudelsalat mit Bier drei Mark“.

Zwar wurden in der Nacht der Eröffnungsfeier etwa 20, rundum parkenden Autos die Reifen zerstochen, aber angezeigt wurde die hilflose Protestaktion offenbar nicht, denn bei der Polizei wußte man von nichts. Hochgepuschte Emotionen wie 1988 unterblieben denn auch bei der Podiumsdiskussion am Donnerstag im Filmhaus, zu der die Medienleute — man ist ja schließlich vom Fach — ihre neuen Nachbarn geladen hatten. Künftig soll also die Kommunikation nicht zu kurz kommen. Schlagwort Yuppisierung? „Keinesfalls“, meinte Kino-Leiter Jürgen Fabritius zu den ungefähr 50 Anwohnern, die der Einladung gefolgt waren.

„Wir wollen uns an den Interessen der Menschen im Stadtteil orientieren“, erklärte Fabritius, dessen Kino-Macherkarriere auch über die Station Alternativ-Unternehmen führte — jahrelang machte er das Kinoprogramm in der Berliner Ufa-Fabrik. Zu den Interessen im Viertel zählt Fabritius auch Familienprogramme und anspruchsvolles Kino der etwas anderen Art. Preisgruppen sollen ermöglichen, daß sich jeder Kino leisten kann. „Im Hauptprogramm kostet der Eintritt elf Mark, bei Nachmittags- und Spätvorstellungen ist es billiger.“

Auch Filmbüro-Chef Torsten Teichert will keine Konflikte mit den Bewohnern des Viertels. Im Gegenteil: „Es kommt Kaufkraft in den Stadtteil, und das ist notwendig.“ Probleme sieht er allerdings im mit Sicherheit wachsenden Verkehrsaufkommen. Um die Folgen zumindest zu lindern, sollen nach einer Auflage des Bezirks noch 134 Parkplätze gebaut werden. Teichert stellt sich aber auch eine Förderung des öffentlichen Nahverkehrs vor. Das Gespräch mit dem HVV wird gesucht, um Kinokarten zu Fahrausweisen zu machen, wie sich das bei Theaterkarten schon bewährt hat. Fabritius regte an, die Friedensallee ganz zu sperren, und sie zur Flaniermeile aufzuwerten. Und Torsten Teichert ergänzte: „Wir wollen nicht nur die Porschefahrer erreichen, die es schick finden, sich über Hundedreck aufzuregen.“

„Der Standort Ottensen war immer sehr begehrt“, so Elisabeth von Dücker vom Museum der Arbeit bei ihrer Darstellung der historischen Entwicklung der Zeise-Hal-

1len. Die Familie Zeise sei so etwas wie die Buddenbrooks gewesen. Sie habe in der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts erheblich zur Industrialisierung des ländlichen und damals dänischen Ottensen beigetragen. Tobias Behrens, Ex-Geschäftsführer der Motte, sprach im Hinblick auf die neuen Nutzungen der

1Fabrikhallen von der „zweiten Industrialisierung Ottensens“.

Trotzdem scheinen die Anwohner mit dem neuen Outfit der alten Hallen und den neuen Gesichtern noch etwas zu fremdeln. Auch die Angst vor Verdrängung ist noch virulent. „Ich würde das Ganze wunderbar finden, wenn ich nicht um

1das Zusammenleben im Stadtteil fürchten würde“, beschrieb ein Ottenser seine gemischten Gefühle. Doch unter die vielleicht nicht ungesunde Skepsis, die auch zu einer vernünftigeren Streitkultur führen könnte, mischte sich bei manchem auch Neugier. Schaun wir mal. Torsten Schubert