: „Stadt statt Auto“
■ Stadtauto bilanziert: Autoteilen rechnet sich für alle / Motto: Wenig Auto, viel Vergnügen
Warnung: Dies ist ein höchst einseitiger Artikel, weil die Autorin nämlich selbst Mitglied in der Organisation ist, um die es geht: Stadtauto. Und ziemlich begeistert davon, für Bedarfsfälle wie Kinder- oder Bierkisten- oder Altpapier-Transporte im ganzen bremischen Stadtgebiet 20 ziemlich neue PKW gewissermaßen zu besitzen, Kombis und andere, für lumpige 25 Mark im Monat — aber mit Reparaturen, TÜV, neuen Reifen etc. überhaupt keinen Streß zu haben. Vollkaskoversichert!
Das Geheimnis: Car-sharing. Das geht so: Sie treten ein, bezahlen einmal 500 Mark Aufnahme- Gebühr (die sind futsch) und neuerdings 750 Mark Kaution (verzinstes Darlehen). Dafür bekommen Sie einen Schlüssel zu all den pink-grünen Säulen, die neben den 20 Autos auf festen Parkplätzen stehen. Sie buchen telefonisch (rund um die Uhr) ein Auto für ein paar Stunden oder mehr, radeln hin, nehmen den Schlüssel aus dem Tresor und sind automobil. Für inzwischen 25 fixe Mark im Monat, 40 Pfennig pro Kilometer und 3 Mark je Stunde — aber Sprit und Versicherung gratis.
Nach zwei Jahren Laufzeit zog Joachim Schwarz für Stadtauto jetzt Bilanz, und die sah gut aus: Lumpige 8.400 Mark Defizit weist das 92er Ergebnis aus, und das kommt vom mutig beschrittenen Neuland in Lilienthal, Sebaldsbrück und Achim, wo jetzt auch Stadtautos auf NutzerInnen warten, sich aber natürlich noch nicht gleich rechnen. 184.000 Mark Einnahmen aus Gebühren und Zinsen für Festgelder standen 192.000 Mark Ausgaben gegenüber.
Die Philosophie von Stadtauto: Für längere Stecken gibt es die Bahn und in 30 weiteren Städten zugängliche Stadtauto- Netze, innerhalb Bremens Rad und Straßenbahn — oder eben Stadtauto. Bis 8- oder 10.000 Jahreskilometer ist Stadtauto billiger als ein eigener PKW. Aber nie billiger als 2 Personen in Bus oder Bahn bezahlen würden — Konkurrenz zum ÖPNV soll und will es nicht sein.
295 BremerInnen sind inzwischen Mitglied, 19 PKW laufen, davon 9 Kombis. 11 Firmen mit insgesamt 38 MitarbeiterInnen sind als Nutzerinnen angeschlossen. Wer austrat, tat das meist wegen Umzugs oder wegen eines Jobwechsels — und eine dicke Kündigungswelle kam zum Jahreswechsel, als die Tarifstruktur geändert und angehoben wurde, damit der Laden sich auch trägt, wenn bei Sommer- Hitze wie im letzten Jahr weniger Kilometer verfahren werden; damit also nicht gerade die VielfahrerInnen die liebsten KundInnen sind. Ein Paradox: 10% der NutzerInnen fahren nie, sondern halten sich Stadtauto offensichtlich zusätzlich als eine Art Mobilitäts-Vericherung.
107 private Autos sind zugunsten der 18 Stadtautos inzwischen abgeschafft worden — das ist aber inzwischen nicht mehr Voraussetzung für die Aufnahme.
Stadtauto hofft auf 500 NutzerInenn noch in 1993, bei 1.000 würde sich der Laden ganz erstklassig tragen. Die ersten Erfahrungen zeigen: Die meisten brauchen ein Auto für Transporte — und meistens am Samstag oder Sonntag. Die tägliche Nutzerspitze liegt zwischen 12 und 17 Uhr, die Buchungssicherheit beträgt dennoch 95%. Die meisten NutzerInnen könnten zwar, wollen sich aber kein Auto leisten. Ärger, mit Unfällen, Schwarzfahrten? Joachim Schwarz: „Verblüffend wenig. Zweimal 5 Kilometer fehlen im letzten Jahr. Und bei Unfällen sind die Leute erstaunlich ehrlich.“ S.P.
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