Die Polizei läßt Dampf ab

■ „Bremen ist schlimmer als New York“: Klagestunde mit dem Innensenator

Keine Hand rührt sich für Friedrich van Nispen. Bei der Vorstellung des Podiums schlägt dem FDP-Innensenator von seiner Polizei eisiges Schweigen entgegen. Tosenden Applaus dagegen erntet Ralf Borttscheller, CDU-Innenpolitiker von den versammelten Ordnungshütern (darunter nur ganz wenige Frauen): „Ist Bremen auf dem Weg zur Kriminalitätshauptstadt?" Darüber wollte die Polizeibasis am Donnerstag nachmittag in der „Glocke“ mit den beiden diskutieren. Ein wahres Stimmungsbarometer: Die PolizistInnen sind sauer auf „die Politik“ im allgemeinen und auf den amtierenden Innensenator im besonderen. Wenn er redet, werden Zwischenrufe laut.

Friedrich van Nispen will den Schwarzen Peter für seine Einstellungspolitik nicht akzeptieren: „Die Fehler in der Innenpolitik sind zehn Jahre alt, ich bin aber erst seit gut einem Jahr Innensenator.“ Er setze sich für die Beamten ja ein, aber Geld sei überall knapp. Van Nispens Diskussionsbeiträge enden mit Unruhe im Publikum. Hier sitzen vier Hundertschaften kräftige Männer, vom einfachen „Streifenhörnchen“ in Uniform und Bügelfalte in der Hose bis zu den Zivilfahndern im Schimanski- Anorak und Birkenstocksandalen. Irgendwo quäkt ein Funkgerät, die Heizung treibt die Temperatur hoch, doch nur wenn Hans Schulz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht, kocht der Saal. Wieder und wieder rezitiert er die Forderungen der Polizei aus dem „Aktionsprogramm Notbremse“: mehr Personal, mehr Geld, weil überall Beamte fehlen und es bald unmöglich wird, „den BürgerInnen zumindest ein Mindestmaß an Innerer Sicherheit zu gewährleisten.“

Dann dreht sich die Diskussion um Bremen als „Hauptstadt der Kriminalität“, subjektive und objektive Bedrohung der Menschen, und erreicht einen bizarren Höhepunkt in der Behauptung von Hans Schulz, Bremen liege bei der Kriminalität „noch vor New York“.

Vor der Gleichung „Sicherheit=Polizei“ warnt Martin Thomas von den Grünen: Sozial-, Jugend- und Gesundheitsbehörden sollten mit den BürgerInnen zusammenarbeiten, um ein Klima zu schaffen, in dem die Verantwortung des Einzelnen für seine Nachbarn wieder gestärkt wird.

„Seit 20 Jahren hat die Politik nicht hinter der Polizei gestanden, so daß sich bei der Bevölkerung dieses Bullenimage aufgebaut hat,“ meint Ralf Borttscheller. Das Image der Polizei, hält Thomas dagegen, habe vor allem durch den Einsatz der Polizei gegen politisch Andersdenkende gelitten. Die versammelten Ordnungshüter ertragen alle diese Vorträge geduldig wie eine Fußstreife bei Nieselregen. Ein vierschrötiger Kollege allerdings springt auf, flucht: „Scheiße — ist das Ursachenforschung hier oder Notbremse?“ und stapft aus dem Saal. Ein Sketch unterbricht die Diskussion: zwei Polizisten, mit Narrenkappen und an schwere Eisenkugeln gekettet, verfolgen eine feixende Panzerknackerbande. Großer Jubel im Saal.

Innensenator van Nispen übersteht die grün-weiße Veranstaltung ohne konkrete Zusagen. Alle auf dem Podium wissen, daß Bremen kein Geld für die geforderten 847 Planstellen hat. Schließlich begraben die Polizeibeamten auch ein bißchen das Kriegsbeil und laden den Innensenator zur nächsten Personalversammlung im Polizeipräsidium ein. Der Freund und Helfer neben mir, ein ruhiger Mittvierziger, sagt: „Das war nicht das, was wir hören wollten. Ich würde heute nicht mehr bei der Polizei anfangen. Meinen Kindern kann ich mit ruhigem Gewissen nur sagen: geht bloß nicht zur Polizei.“

bpo