Einmal alle zwölf Monate ganz viel Frau

■ Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag am kommenden Montag Demonstrationen, Diskussionen, Debatten an diesem Wochenende: eine Übersicht

Berlin. Einmal im Jahr wird der Mehrheit der Menschheit ein Tag gewidmet: der Internationale Frauentag am 8.März. Kein Wunder, daß dieser zum Reservoir des schlechten Gewissens wird, wo alles zur Sprache kommen soll, was sonst im ganzen Jahr mehr oder weniger subtil unterdrückt wird. Kein Wunder, daß sich an jenem Tag und drumherum die Demonstrationen, Debatten, Diskussionsveranstaltungen jagen und sich gegenseitig die Teilnehmerinnen und die wenigen interessierten Teilnehmer streitig machen. Hier eine gewiß immer noch unvollständige Programmübersicht:

Bereits am Sonntag, den 7. März läutet die Charlottenburger Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) den „Charlottenburger Frauenfrühling“ ein, dessen Rahmenprogramm rund um den Internationalen Frauentag sogar bis zum 27. März reicht. Um 11 Uhr eröffnet sie den ersten Teil der Ausstellung „Gebraucht – gebremst – gefördert“ im Heimatmuseum Charlottenburg, Schloßstraße 69, und um 14 Uhr den zweiten Teil im Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum (FFBIZ) in der Danckelmannstr. 47. Die Exponate dokumentieren die Geschichte der politischen Partizipation von Frauen in Charlottenburg nach 1945: ihre Bedeutung in den ersten Nachkriegsjahren, ihr Zurückdrängen an Heim und Herd in den 50ern und 60ern und schließlich die Neue Frauenbewegung seit den 70er Jahren.

Ebenfalls am Sonntag kann frau, falls interessiert, zum ersten Mal auf die Straße rennen. Der „Frauenkreis 8. März“, unterstützt unter anderem von den Grünen, dem UFV und den HBV-Frauen, ruft zur Demonstration auf: von 15 bis 16 Uhr auf der Niederkirchnerstraße Ecke Stresemannstraße. Die Nichte von Käthe Niederkirchner wird eine Rede halten. Die Frauenkämpferin der KPD und Nazigegnerin war 1943 hinter der Front mit dem Fallschirm abgesprungen und 1944 im KZ Ravensbrück erschossen worden.

Am Montag, den 8.März hauen sich dann die Programmpunkte gegenseitig tot. Die feministisch orientierte Frau sollte den Tag im Rathaus Zehlendorf in der Kirchstraße 1-3 beginnen, wo um 10.30 Uhr die Ausstellung „Unbezahlte Frauenarbeit – Basis der Wirtschaft“ durch die bezirkliche Frauenbeauftragte Jutta Arlt eröffnet wird – „nach Hausfrauenart mit Sekt und Selters“. Die Fotos von Anne Happersberger-Lüllwitz dokumentieren, daß Armut in der Bundesrepublik „alt, kinderreich und weiblich“ ist. Ein Rundgang von zwei, drei Minuten durch die Ausstellung aber muß genügen, denn um 11 Uhr beginnt im Haus der Demokratie, Friedrichstraße 165, der Aktionstag des Unabhängigen Frauenverbandes gegen den Krieg in Ex-Jugoslawien mit einem Vortrag der Islamwissenschaftlerin Gisela Kraft. Die nicht vorhandene Mittagspause sollte genutzt werden, um in den „Club Spittelkolonnaden“ in der Leipziger Straße 47 zu rennen, wo um 13 Uhr der „Frauenpolitische Wegweiser“ des Amtes für Gleichstellung in Mitte gefeiert wird. Um 13 Uhr stellen sich im Haus der Demokratie aber auch Projekte vor, die mit Flüchtlingen arbeiten. Um 15.30 Uhr folgt eine Diskussion „Pro und Contra militärische Intervention“ und um 17.30 und 20 Uhr Dokumentarfilme von Helke Sander. Wer internationalistisch orientiert ist, muß sich aber auch bei dem „Internationalen Mädchen- und Frauenfest“ in der Villa „Folke Bernadotte“ sehen lassen, das um 16 bis 21 Uhr in Steglitz im Jungfernstieg 19 unter dem Motto „Tausend und Dein Tag“ veranstaltet wird. Am besten einmal durch die Menge rennen, denn beim DGB in der Keithstraße 1-3 in Schöneberg wartet schon die nächste Veranstaltung: ein „Forum für deutsche und ausländische Frauen“, das um 17 Uhr mit Kaffeetrinken beginnt. Ebenfalls um 17 Uhr – drängende Gewissenskonflikte können leider nicht vermieden werden – startet am Mehringplatz in Kreuzberg ein großer Trauerzug Richtung Rotes Rathaus für die vergewaltigten Frauen in Bosnien, zu dem die „Mütter gegen Gewalt“ und die „Frauen für den Frieden“ aufrufen.

Die mehr an deutschen Belangen interessierte Frau sollte jedoch um 17 Uhr vor dem Landesarbeitsamt in der Friedrichstraße gegen den Abbau der ABM-Stellen und für den Erhalt „tragfähiger Frauenarbeit“ demonstrieren. Dazu rufen unter anderem der Arbeitslosenverband Deutschlands und der Interessenverband Kultur auf. Aber bitte nicht zu lange dort rumstehen, denn von 18 Uhr bis 22 Uhr sollen doch tatsächlich zwischen Siegessäule und ehemaliger Volkskammer „eine Million Lichter gegen Fremdenhaß“ und für die Befreiung der bosnischen Frauen aus den Konzentrationslagern erglühen. Diesen bescheidenen Vorschlag macht die „Mahnwache Brandenburger Tor“.

Wenn ihr die Zunge immer noch nicht am Boden hängt, kann frau den Tag dann im Rathaus Kreuzberg beschließen: Dort gibt um 18.30 Uhr im BVV-Saal das Motto der Gesprächsrunde „Frauen fragen – PolitikerInnen antworten“ Rätsel auf: Sind Politikerinnen keine Frauen? Ute Scheub

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