Wand und Boden
: Manchmal lichtet sich dennoch der Blick...

■ Kunst in Berlin jetzt: Moshe Moograbi, Milovan Markovic, Ulla Hahn

Manche Erfahrungen sind bitter: Die Lichterketten sind abgebrochen, aber die Angriffe auf Ausländer und Minderheiten gehen unbeirrt weiter. Die Zeichensetzung mit den Kerzen aus der Vorweihnachtszeit ist ins gesamtdeutsche Vokabular aufgenommen worden, ohne den rassistischen Alltag in Deutschland zu berühren oder ihm gar ein Ende bereitet zu haben. Wen trifft die Schuld am Debakel der gutgemeinten Vernunft?

Statt sich des Diskurses von Anklage und moralischer Integritt zu bedienen, sucht Moshe Moograbi in der bekannten Gestik des Faschismus nach Spuren der unbewältigten Vergangenheit. Zu diesem Zweck hat der jüdische Künstler 16 seiner in Deutschland lebenden Freundinnen und Freunde auf eine arge Belastungsprobe gestellt, indem er sie darum bat, den Hitlergruß vor der Kamera nachzustellen. Nur auf Anweisungen zur Körperhaltung und dem ausgestreckten Arm beruhend, zeigen die Schwarzweiß-Photographien, wie Menschen auf das beschämende Symbol des Gehorsams am eigenen Körper reagieren. Einige Beteiligte haben den Gruß verweigert, andere heben sichtlich überfordert unsicher und verlegen den rechten Arm. In jedem Bild liegt die Spannung von Schock und Distanz, die am Ort der Installation doppelt irritiert. Denn für die Präsentation der Fotos hat Moograbi die schlicht geweißten Wände der Petrus-Kirche in Lichterfelde gewählt. Vielleicht wird der Bogen so überspannt: In der weihevollen Atmosphäre verwischen die Grenzen der aufgezwungenen politischen Durchdringung des Privaten und die in sich gekehrte kontemplative Kraft der aufrechten Glaubensgemeinde. Dann scheinen die in Streifen geschwärzten Photozungen nichts als ein unbestimmter Trauerflor zu sein.

„Grüße von Moshes Freunden“, bis 21.3.; Oberhofer Platz 1; Mo., Mi., Sa. 11–13 Uhr; Di. 17–19 Uhr.

Auch Milovan Markovic bedient sich seiner Freunde, um mit einer Geste die Barrieren der weltpolitischen Rassen- und Religionskonflikte zu überwinden. Der serbische Bildhauer nimmt den Krieg, den sein Heimatland führt, zum Anlaß, um gegen die in Gewalt mündende politische Blindheit als Subjekt zu antworten, das sich über „internationale Wahlverwandtschaften“ definiert. Mit 23 weiteren KünstlerInnen hat er seine Einzelausstellung in den Kunst-Werken zu einer Gruppenshow umgewidmet, bei der an die Stelle der Repräsentation eine in der Sprache der Kunst übergreifende Kommunikation stattfinden soll. Doch die Gemeinschaft ist nicht mehr als ihre Teile. Nur wenige Arbeiten greifen ineinander, etwa die zwölf Ikonenbilder ohne Gesicht, die von Markovic selbst beigesteuert wurden, und jene drei sich proportional vergrößernden Quadrate, die Bernhard Garbert danebengehängt hat. In ihnen korrespondieren formale Kriterien mit der Wahl religiöser Motive. Andere Arbeiten bleiben allein auf sich selbst bezogen und haben mit der Idee vom Kollektiv nur den Raum gemeinsam. Die drei Fotos von erhobenen Zeigefingern, die Thomas Florschütz beigesteuert hat, werden unter dem Anspruch der Ausstellung gesehen platt. Die Schwierigkeit, das Künstler-Individuum mit der auseinanderstrebenden Wirklichkeit zusammenzuhalten, hat Richard Wilson mit seinem Beitrag aufgezeichnet. Er beschreibt in einem Text den Weg zu seinem Atelier, der über verzahnte Treppen und durch verwinkelte Räume führt: „Not too clear on the viewfinder“, den Dia- Lupen, die parallel zur Textarbeit den Blick auf zwei winzige Bilder im Guckkastenprinzip freigeben – das eine vom gedruckten Text, das andere ein Bild vom Raum, den dieser Text beschreibt. Versucht man beide zu sehen, verschwimmen die Photos in der gleichzeitigen Wahrnehmung und überfordern die Augen. Aus der Nähe ist nichts mehr deutlich.

„Privat“, bis 14.3., Auguststraße. 69; do. 15–20 Uhr, fr.–so. 15–20 Uhr.

Um die Erfahrung zu machen, daß in der Betrachtung der Dinge die Fremdheit sich wie von selbst einstellt, mußte Ulla Hahn gar nicht erst die eigenen vier Wände verlassen. Auf mehr als einem Dutzend gemalter Miniaturen hat sie ihren durch das Zimmer wandernden Blick festgehalten, dem kein noch so unordentlicher Hausrat entgangen ist: Strümpfe und Unterwäsche, mal sauber zum Trocknen auf einem Ständer an der Heizung aufgereiht, ein anderes Mal auf der Couch zusammengeknüllt; dazu angetrunkene Rotweingläser, ungeleerte Aschenbecher – die Junggesellinnenbude als idyllische Genremalerei.

Doch diese gedankenverlorene Träumerei endet bei Hahn spätestens im Angesicht eben jener Dinge, mit denen das Alltägliche die kurzen Abwesenheiten attackiert. Dann verfärbt sich das Blau des Himmels in einer vergilbten Gardine, geht in das Grau der Rauhfasertapeten über und verschwindet endgültig im rostigbraunen oder ranzig ockernen Fußbodenbelag.

An diesen Belägen hangelt sich der Blick des Betrachters entlang und findet nichts mehr, was ihn in der romantischen Schwärmerei beim Blick auf das Fenster im Bild halten könnte. Gefangen zwischen den Dingen, wie sie in ihrer matten Farbigkeit vors Auge treten, hat Ulla Hahn sehr diszipliniert und streng in der Form, beinahe ungerührt akademisch aus dem Jugendtraum der sturmfreien Bude den Alpdruck der ewig sich repitierenden stummen Sprache in der Einsamkeit des Interieurs herausgearbeitet. Manchmal lichtet sich dennoch der Blick, etwa wenn die Socken an der Leine aus dem Bild zu kippen drohen oder zwei herrenlose Rackets Federball spielen. An ihnen hätte selbst Kafka seine Freude gehabt.

Bis 13.3.; Galerie Vincenz Sala; Manteuffelstraße 40/41; Do., Fr. 17–20 Uhr; Sa. 11–14 Uhr.

Harald Fricke