In den Urlaub nur mit Kerosin-Kanister

■ Die Autobahnen sind bereits verstopft – jetzt kommt auch der Flugzeugstau/ Kein Urlaub in neuen Bundesländern/ Berliner Reisebüros werden von Rezession zuletzt erfaßt

Berlin. Urlaub – wer sich unter diesem Begriff noch so etwas wie Berge, Strand und Sonnenschein vorstellt, sollte keine Tourismusanalysen lesen. Denn die Berichte von Marktforschungsinstituten über Reiseabsichten von Deutschen und Europäern in diesem Jahr lehren dem Leser die Furcht vor Ferien. Das Freizeit-Forschungsinstitut der Hamburger BAT-Cigarettenfabriken hat bei einer Umfrage unter 5.000 Deutschen und noch einmal soviel Europäern feststellen müssen, daß umweltschonendes Reisen immer mehr an Bedeutung verliert. Auch die Wahl des Verkehrsmittels spricht nicht für die Reisenden: immer mehr wollen fliegen.

Vor acht Jahren seien noch zwei von drei Europäern mit dem eigenen Auto in die Ferne gefahren, inzwischen stauten sich Touristen nicht nur mehr auf den Autobahnen, sondern auch auf den Flughäfen. Nach der Trendanalyse erobern Dänemark und England den Luftraum. In der diesjährigen Saison werden mehr „Tuborg“- und Tee-Trinker durch die Lüfte düsen, als über Straßen sausen.

Die Eisenbahn werde zwar Touristen als Kunden nicht verlieren, haben die sechs von den Hamburger Cigarettenfabriken beauftragten europäischen Institute herausgefunden. Um Zuwächse kämpfen aber Benzinkutsche und Kerosinbomber. Der Trend zum Jet-Set wird durch den Preiskampf der Charter- und Liniengesellschaften zusätzlich beflügelt. Ökologen mag auch aufschrecken, daß nur jeder fünfte Europäer die Umweltfreundlichkeit eines Ferienortes für wichtig hält. Knapp jedem zweiten ist dagegen ein Anliegen, daß die Landschaft „schön“ und die Umgebung „selbstverständlich sauber“ ist. Nur jeder vierte will den See oder das Meer nicht nur angucken müssen, sondern auch in sie hineinspringen können.

Die BAT-Umfrage korrigiert dabei das Bild vom umweltbewußten Holländer und Dänen. Ist für jeden dritten Deutschen der Umweltschutz auch vor anderer Leute Haustür ein Anliegen, interessiert sich von den Niederländern nur noch jeder achte und von den Nachbarn nördlich von Schleswig- Holstein nur noch jeder zwanzigste (sic!) dafür, was er beim Fliegen in den Himmel bläst oder an Natur unter seinen Sandalen niedertrampelt. Professor Horst W. Opaschowski, Leiter des BAT-Instituts, befürchtet einen Rückschritt in der Umweltdiskussion.

Auch beim Tourismus klappt es in Deutschland nicht so recht mit dem Zusammenwachsen. Zwölf von hundert Osturlaubern fuhren im vergangenen Jahr zwar noch nach Bayern, und sogar etwas mehr ins westdeutsche Mittelgebirge. Doch für dieses Jahr haben sich die Ossis bereits anders entschieden: jeder fünfte wird im Gebiet der ehemaligen DDR ausspannen. Noch weniger Reiselust bei den „Wessis“. Nur jeder 50. ließ sich an der mecklenburgischen Ostseeküste blicken. Opaschowski glaubt, der „Neugiertourismus“ sei vorbei – in den neuen Bundesländern sei der Unterkunftskomfort noch immer „ungewohnt“.

Auch im Ausland meiden sich Ossis und Wessis. Die Westdeutschen lichteten die Niagara-Fälle oder türkische Moscheen ab, die Ostdeutschen zog es in die billige ČSFR oder nach Skandinavien. Nur in Spanien drohte den Bewohnern beider Teile Deutschlands die Gefahr, sich im Schatten von andalusischen Olivenbäumen, in den Ausstellungshallen der Expo in Sevilla oder auf der Tribüne des Olympiastadions in Barcelona gegenseitig auf die Füße zu treten.

Aber auch die neuen Bundesbürger wollen in diesem Jahr Amerika entdecken – das reiche wohlgemerkt. Egon Dobat, Geschäftsführer der Air-Travel-Services (ATS) am Ku'damm, bestätigt den Trend. Auf Grund der Angst vor Aids oder auch nur Malaria sei Afrika „völlig out“. In den USA falle der Europäer darüber hinaus weniger auf und werde nicht „zum Mittelpunkt für Bettler“.

Im vergangenen Jahr war im Tourismus von der allgemeinen wirtschaftlichen Talfahrt nichts zu spüren. In den ersten beiden Monaten sei in der Bundesrepublik der Umsatz von Tickets und Pauschalangeboten aber bereits um acht Prozent zurückgegangen, berichtete der ATS-Geschäftsführer. Nur nicht in Berlin: weil dank der neuen Ferienregelung im Januar Eltern mit Schulkindern aus dem Wetteil erstmals in den Winterurlaub fahren konnten, käme hier der Einbruch im Reisegeschäft mit Verspätung. Dirk Wildt