Hilft die UNO den Serben?

■ Nach dem serbischen Angebot an die UNO, Flüchtlinge aus Ostbosnien zu evakuieren, will diese die Lage vor Ort überprüfen/ Ein Schritt vor, einer zurück in New York

Genf/Berlin (taz/ap) – Die bosnischen Serben zeigten sich am Donnerstag großzügig. Nachdem sie in der vergangenen Woche durch ihre Angriffe auf Cerska Zehntausende Bosnier vertrieben und jede Hilfe durch das Flüchtlingswerk der UNO verhindert hatten, boten sie diesem nun an, die muslimischen Flüchtlinge zu evakuieren. Gleichzeitig bedeutet das Angebot jedoch keine Einstellung der jüngsten serbischen Offensive. Mitarbeiter der UNO berichteten, daß Cerska weiterhin umkämpft ist, immer mehr Dörfer in Flammen aufgehen.

Außerdem boten die Serben die Eröffnung von „Sicherheitskorridoren“ für Flüchtlinge aus Zepa und Sreberenica an. Diese ebenfalls seit Monaten belagerten ostbosnischen Städte könnten somit bald das Ziel neuer Angriffe werden. Belgrader Zeitungen zufolge sind die Serben zudem bereit, Transportmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen: „Wir wollen nicht, daß Zivilisten leiden.“

Die UNO reagierte auf das „Angebot“ der Serben jedoch zunächst mit Zurückhaltung. Bei einer 24stündigen, für heute geplanten Feuerpause will sich der Kommandeur der UN-Truppen in Bosnien, General Morillon, in Cerska über die Lage informieren. Zunächst sollen Lebensmittel und Medikamente zur Versorgung der Flüchtlinge in die Region gebracht werden. Erst danach werde entschieden, ob die Bevölkerung „Nahrung oder Evakuierung“ benötige.

Tatsächlich bezieht die UNO ihre Informationen über die belagerten ostbosnischen Gemeinden in erster Linie von Amateurfunkern. Sie berichteten am Freitag von einem Appell des bosnischen Militärs, 2.500 Verwundete aus den Belagerungsringen herauszuholen. Besonders Konjevici liege unter schwerem Artilleriefeuer, in der Nacht seien acht Erwachsene und vier Kinder umgekommen.

Nach Meldungen des UNHCR könnten sich 50.000 Menschen aus Ostbosnien auf die Suche nach sichereren Gegenden begeben haben, in Tuzla, einer nordwestlich gelegenen Stadt, werden 20.000 Flüchtlinge erwartet. 10.000 Bosnier würden weiterhin in Cerska und dem benachbarten Konjevici ausharren.

Andere Funker verbreiteten den Bericht eines Mannes namens Besim Topalovic, der zusammen mit zwei anderen ein Massaker an einigen hundert Menschen überlebt haben soll. Die Flüchtlinge, die aus Angst vor Minen hintereinander marschiert sein sollen, seien von Männern in weißen Schneeuniformen angehalten worden. Dann sei auf sie aus schweren Waffen das Feuer eröffnet worden.

Mit einer Drohung versuchte unterdessen der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić den Eindruck wachsender Differenzen mit der Regierung Milosevic in Belgrad zu erzeugen. Falls sich „Serbien weiter einmischt und versucht, uns unter Druck zu setzen, werde ich die New Yorker Verhandlungen verlassen und einen unabhängigen serbischen Teilstaat in Bosnien-Herzegowina ausrufen.“ Die von den Vermittlern Cyrus Vance und David Owen vorgelegte Karte zur Provinaufteilung Bosniens lehnte Karadžić erneut ab. Dies stand in deutlichem Gegensatz zu dem von Owen am Mittwoch erweckten Eindruck, binnen „einiger Tage“, möglicherweise schon am gestrigen Freitag würden Serben und Muslime die Provinzkarte unterzeichnen. Der Serbenführer widersprach zugleich der Erwartung des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović, wonach es bei der Umsetzung des inzwischen von allen drei Kriegsparteien unterzeichneten Militärdokuments des Vance-Owen-Planes zu einer effektiven internatioalen „Kontrolle“ aller schweren Waffen kommen werde. Das von ihm und Kroatenführer Mate Boban im Januar unterzeichnete Dokument sehe lediglich die „Supervision“ der schweren Waffen durch die Unprofor-Soldaten vor. Nachträgliche Änderungen werde er nicht akzeptieren. Der Sprecher von Vance und Owen, Fred Eckhard bemühte sich vor Journalisten, die offensichtlichen Differenzen zwischen Serben und Muslimen bei der Interpretation des Militärdokuments herunterzuspielen.

Izetbegović nahm unterdessen seine Drohung zurück, die Verhandlungen wegen der serbischen Angriffe auf ostbosnische Städte zu verlassen. Er werde „bis zum Ende der Konferenz“ in New York bleiben. Einen Rückzieher ganz anderer Art machte auch Karadžić. Nachdem er in einem Schreiben „an das amerikanische Volk“ auf die Gefahr von Terroranschlägen hingewiesen hatte, zog er jetzt einen Satz, der den Anschlag auf das World Trade Center in Verbindung zu dem Krieg in Bosnien gestellt hatte, zurück. her/azu