„Jeder traut sich jetzt eine Ausländerin zu erniedrigen“

■ Die Erfahrungen der Dichterin Rosa Lubia Fald Garcia in der BRD

Sie hat eine weiche, warme Stimme und einen warmen, sanften Händedruck. Doch was Rosa Lubia Falk Garcia den LeserInnen ihrer Gedichte zumutet, ist starker Tobak: „Tür zu, Tür zu!/ ... Es war mein erster Satz, den ich in dieser Sprache lernte.“

Es ist die Rede von Rassismus und der Kälte in diesem fremden Land und zwischen den Zeilen von Zynismus und Ausbeutung. „Ich trat in ein kinderloses Land.“ — Dies war der erste Eindruck der Guatemaltekin Rosa Lubia Falk Garcia von der Heimat ihrers deutschen Mannes. Ein Jahr, sagte sie sich, wollte sie bleiben, nun lebt sie schon fast 20 Jahre „in der Heimat meiner Kinder“.

Drei Kinder hat sie nach der Trennung von ihrem Mann allein in Bremen großgezogen. Alleinerziehende Mütter, hat sie dabei festgestellt, haben es in dieser Gesellschaft besonders schwer: „In Guatemala gibt es immer eine Oma, eine Kusine oder den Opa, die sich auch um das Kind kümmern. Bei uns haben Mütter viel mehr Zeit für sich.“

In ihrem Gedichtband „Schatten im Reich der Weißen“ hat Rosa Lubia Falk Garcia ihre Erfahrungen in Deutschland zusammengetragen. „Ich hatte es satt, von Kongreß zu Kongreß zu reisen und immer wurde hochtheoretisch diskutiert über Rassismus, ob es ihn gibt. Etwas in mir hat sich dagegen gewehrt.“

Sie stellte sich die Frage: „Wo bin ich selbst verletzt worden, in diesem Land? „ Fast entschuldigt sie sich für die „bittere und traurige Stimmung“, die das Buch beherrscht: „Ich habe hier in Deutschland nicht nur Schlechtes erlebt, ich hatte auch erfreuliche Begegnungen. Wenn nicht, hätte ich das hier nicht ausgehalten.“ Es seien ihre Gefühle, die sie aufgeschrieben habe, depressive Stimmungen, gewiß. Doch „ich glaube, ich bin ein fröhlicher Mensch.“

Als sie ihre Texte zum ersten Mal vortrug, auf einem Bremer Kongreß zum Thmea Frauen und Rassismus, hätten einige Frauen hinterher geweint, erzählt Rosa Lubia Falk Garcia. Ihre Tochter, die auch zuhörte, fragte sie: „Warum hast Du das getan, du hast die Frauen zum Weinen gebracht? „

„Ich klage Dich weiße Frau nicht an“

Doch auch wenn sie selbst viele Verletzungen erfahren hat, Rosa Lubia Falk Garcia möchte niemanden verletzen. „Ich möchte einen Dialog anstoßen, zwischen weißen und schwarzen Frauen.“ Die Reaktionen auf ihre Texte hat sie genau beobachtet: „Betroffenheit“ hat sie festgestellt, unter dem akademischen Publikum, doch auch Ablehnung. „Viele machen zu. Die sagen, das sind Ihre Erfahrungen. Und was können wir dafür, wenn der Himmel hier so grau ist.“

„Weiße Frau“ heißt ein Gedicht, in dem die Guatemaltekin die Ausbeutung durch wohlmeinende deutsche Akademikerinnen beschreibt: „Als du meine Mitmenschen analysiertest / mit deiner Brille / und deiner Sozialisation / als du als Entwicklungshelferin meine Mitmenschen entwickeln wolltest / sagte ich nichts.“ Aber „ich klage dich, weiße Frau, nicht an, / denn dann müßte ich mich selbst anklagen.“

Häufig, erzählt die Guatemaltekin, habe sie sich durch deutsche Frauen zensiert gefühlt: Wie kannst Du nur Kinder haben, wie kannst Du Dich nur schminken ... „Feministometer“ nennt sie dieses feministische Maß aller Dinge, das keine Abweichung zuläßt, in einem ihrer Gedichte.

Dennoch: Rosa Lubia Falk Garcia sucht den Dialog, vor allem mit Frauen, mit deutschen und mit ausländischen. Vor vier Jahren gehörte sie zu den Gründerinnen der antirassistischen Bremer Frauengruppe De Colores. Seit zweieinhalb Jahren koordiniert sie in Bremen das Büro der Arbeitsgruppe Antirassismus der Hamburger Frauen-AnStiftung. Unter anderem hat sie die Gruppe Ausländische Mütter Deutscher Kinder ins Leben gerufen: „Wir ausländischen Mütter müssen unheimlich wachsam sein, daß unsere Kinder nicht kaputt gehen. Sie werden durch ihre deutsche Umwelt an ihrer Entwicklung gehindert.“

Viele Kinder aus Mischehen zweifelten an der Kompetenz ihrer ausländichen Mütter, sagt Rosa Lubia Falk Garcia. Selbst wenn die Mutter — wie sie selbst — Lehrerin sei, bekomme sie häufig von den eigenen Kindern zu hören: „Du kannst das nicht.“ Vorsichtig sucht sie nach einer Erklärung dafür. „Es gibt viele Faktoren. Unter anderem die Ablehnung der kopftuchtragenden Frauen in dieser Gesellschaft.“

Seit zwanzig Jahren schon beobachtet die Frau aus dem „Land der Erdbeben“ die deutsche Gesellschaft als eine, die von außen kam und mit ihr, in ihr leben mußte, hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen Angst, Neugier und Stolz. In ihren Gedichten beschreibt sie, wie die Neugier verschwand. Die Angst hingegen ist wieder gewachsen: „In Deutschland hat sich viel geändert. Der Rassismus war früher subtil, jetzt ist er offen. Jede Verkäuferin, jeder Mann auf der Straße traut sich, dich als Ausländerin zu erniedrigen.“

Diemut Roether