Nachschlag

■ „Risse – Bildnisse zu Frida Kahlo“ im Ratibor-Theater

Der Bühnenraum des Ratibor-Theaters wird seitenverkehrt genutzt: Wo sonst die Zuschauer sitzen, finden sich jetzt eine Metallpritsche, ein Rollstuhl, eine mit Kastanien gefüllte Blechwanne und ein wenig vertrocknetes Laub. Schmerzensreiche Gesänge erklingen, und ein Lichtstrahl fällt auf die Pritsche. Eine Schauspielerin liegt darauf und versucht sich aufzurichten: mühsam, qualvoll, als wäre sie gefesselt. Und das ist sie auch, denn Monika Schubert erzählt darstellerisch von Frida Kahlo, und deren Fessel war der eigene Körper. Kahlo, die mexikanische Malerin mit der zerschmetterten Hüfte, die immer wieder anklagend das eigene Abbild auf die Leinwand bannte; deren Person auf diese Weise mit ihrer Kunst verschmolz, Inbegriff einer Kultur, die, wie Carlos Fuentes schreibt: „in unseren Körpern“ besteht, „die so oft geopfert und verleugnet wurden, unseren gefesselten, träumenden, fleischlichen Körpern“.

Von Frida Kahlos Bildern inspiriert, hat das Braunschweiger L.O.T.-Theater im letzten Jahr eine Produktion mit dem Titel „Risse“ herausgebracht, die an zwei Wochenenden in Berlin gastiert. In der Regie von Cristina Castrillo läßt Monika Schubert (körperlichen wie seelischen) Schmerz lebendig werden, spielt mit der Behinderung, schleppt sich durch den Raum oder wirbelt mit dem Rollstuhl herum. Sie zieht über ihren Unterrock einen viel zu großen Männeranzug und tanzt einen irren Cha-Cha-Cha. „Nicht aufhören“, fleht sie vergeblich. Einmal hält sie eines der Blätter in der Hand und versucht, sich mit ihm in die Luft zu erheben. Doch das Laub ist vertrocknet — und wird zerbröselt. Am Ende steht der Rollstuhl verlassen auf der Bühne, auf seiner Armlehne balanciert geisterhaft eine einzelne, abgeschnittene Hand aus Gips. An der aufgerichteten Pritsche hängen die Jacke, ein Zopf und der Gipsabdruck einer oben und unten mit Bändern abgebundenen Brust – alles Zitate aus Kahlo-Bildern.

Dazwischen immer wieder Satzfetzen, Assoziationen, die kryptisch klingen, tatsächlich aber kitschig und platt sind: „Ich drehe mich im Kreis auf der Suche nach mir selbst, und manchmal bemerke ich nicht, daß ich mich fest an der Hand halte.“ Das sind Ergüsse, die der Nacht entspringen können, am Morgen danach jedoch schleunigst vergessen werden sollten. Immerhin trägt Monika Schubert diesen Text mit viel distanzierendem Pathos vor. Sie kriecht nicht hinein, sondern stellt ihn aus. Schubert und Castrillo haben Bilder gefunden, die sich immerzu um die Übermutter Frida drehen — und doch nichts erzählen wollen. Es ist eine Aneinanderreihung von Dunkelheiten, eine Choreographie des puren Schmerzes, in der der Wille zum Leben nur als Alptraum des einzelnen vorkommt. Diese hermetische Form von Theater ist auf ein Publikum eigentlich nicht angewiesen. Auch ohne Gegenüber vollzöge es sich in der gleichen selbsterschöpfenden Weise Nacht für Nacht. Wen das nicht schreckt, der (oder die) gehe und sehe. Petra Kohse

Weitere Vorstellungen: vom 12. bis 14. März, jeweils um 20 Uhr im Ratibor-Theater, Cuvrystraße 20