■ In Afghanistan wurde ein Friedensabkommen geschlossen
: Kein Grund zum Optimismus

Kehrt am Hindukusch der Frieden ein? Es wäre ein Wunder, wenn die Waffen im afghanischen Bergland künftig schweigen würden. Vom Krieg verstehen die afghanischen Mudschaheddin viel, vom Frieden wohl nur wenig. Sie bezwangen auf dem Schlachtfeld die sowjetische Weltmacht und ihre afghanischen Helfer. Der Heilige Krieg mündete aber im Unheil, der Sieg im Desaster. Um die Beute entfachte ein moslemischer Bruderkampf, mörderischer als der Krieg gegen die russischen „Heiden“. In einem Jahr Mudschaheddin-Herrschaft blutete die afghanische Hauptstadt mehr als in 14 Jahren Dschihad. Die afghanischen Führer waren stets für Machtgier und Ehrgeiz bekannt. 14 Jahre lang wurde um Geld, Waffen und Posten in der pakistanischen Stadt Peshawar, wo die Mudschaheddin ihren Sitz hatten, gefeilscht und gekämpft. Der Zank und Zwist der Afghanen wurden weltweit sprichwörtlich. In einem archaischen Land, wo der Streit um den Besitz einer kahlen Berghöhe eine Blutfehde von sieben Generationen auslösen konnte, kann die Rivalität um die Macht im Staate nicht unblutig vonstatten gehen. Schon Friedrich Engels bescheinigte zwar den Afghanen „Mut und Freiheitsliebe“, meinte aber, das mittelasiatische Volk sei wegen seines Individualismus und seiner „leicht entfachbaren Leidenschaften“ nicht imstande, einen Staat auf die Beine zu stellen. Doch die Streitsucht der Afghanen ist nicht nur ihren Untugenden geschuldet, sie ist auch Ausdruck einer Gesellschaft, die in rivalisierende Stämme, Völkerschaften, Religionen und neuerdings auch politische Ideologien zerrissen ist.

Auch die regionalen und überregionalen Mächte trugen in den vergangenen Jahren erheblich zur afghanischen Tragödie bei. Sie nutzten das Leid und die Leidenschaften der Afghanen für ihre machtpolitischen Zwecke, wobei an Geld und Waffen nicht gespart wurde. Angesichts des Zerfalls des afghanischen Staates versuchen sie nun Frieden zu stiften. Doch zu spät. Die Städte, Dörfer und Berge im Lande der Afghanen strotzen so von geschenkten Kalaschnikows und anderen tödlichen Dingen. Und die jungen Gottesstreiter haben nichts anderes gelernt als zu schießen. Also, es gibt keinen Grund zum Optimismus. Das Gemetzel im geschundenen Afghanistan wird kein schnelles Ende nehmen. Schon jetzt zeigt sich der künftige Streit. Der Verteidigungsminister Ahmadschah Masud, der „Löwe von Panschir“, soll seinen Posten abgeben. Hinter ihm stehen aber Zehntausende von gut bewaffneten tadschikischen Kämpfern. „Zehn Derwische“, lautet ein persisches Sprichwort, „können auf einer Matte schlafen, für zwei Könige ist ein Reich zu wenig.“ Mehr als zehn Könige gibt es in Afghanistan. Ahmad Taheri

Publizist, lebt in Frankfurt