Jeden Tag ein Unfall bei Hoechst

Gestern entwich blaue Farbwolke aus dem Stammwerk in Höchst/ Samstag brannte es im Tochterwerk Cassella/ Freitag wurde ölverseuchtes Wasser in den Main gepumpt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Der Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Hoechst AG, Wolfgang Hilger hat in seinen Bemühungen, den Konzern nach dem verheerenden Störfall im Werk Griesheim aus den Schlagzeilen zu bringen, schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Nachdem bereits am Freitag im Stammwerk des Konzerns in Höchst insgesamt 450.000 Liter ölverseuchtes Wasser in den Main gepumpt worden waren, kam es am Sonnabend zu einem Großbrand bei der Hoechst-Tochter Cassella im Frankfurter Stadtteil Fechenheim. Und eine Stunde vor Öffnung der Wahllokale in Hessen trat wiederum im Hoechster Stammwerk eine „Farbwolke“ aus. Dabei schlug sich blaue Farbe großflächig auf dem Werksgelände und in der Umgebung nieder.

Wie der hessische Umweltminister Joschka Fischer, der am Sonntag morgen vor Ort war, auf Nachfrage bestätigte, scheint sich die Hoechst AG bei der erneuten Farbemission zumindestens an die Meldevorschriften gehalten zu haben. Berufsfeuerwehr, Polizei und Behörden seien umgehend informiert worden. Und auch die Mitarbeiter der konzerneigenen Forschungsstelle seien im Einsatz gewesen.

Nach Darstellung der Chemiefirma war eine Störung des Fördermechanismus in der Farb-Abfüllanlage die Ursache des neuesten Unfalls. Aufgetrocknete Farbe sei als „Staubwolke aus den Betriebsöffnungen nach außen ausgetreten“ und „in geringen Mengen“ in Richtung Osttor verweht worden. Wie die Zentralabteilung für Öffentlichkeitsarbeit mitteilte, handele es sich bei der Farbe um den Textilfarbstoff Remazol-Türkisblau, der „nicht giftig und sehr gut wasserlöslich“ sei. Wie bereits nach dem schweren Störfall vom 22. Februar bot die Hoechst AG den geschädigten Autofahrern eine kostenlose Autowäsche an.

Zu dem Feuer bei Cassella war es laut Angaben der Frankfurter Berufsfeuerwehr gekommen, als aus nicht bekannten Gründen eine Lüftungsanlage an der Außenwand eines Produktionsgebäudes in Brand geriet. Nach knapp zwei Stunden Löscharbeiten konnten die 87 Feuerwehrleute ihren Einsatz beenden. Schadstoffmessungen innerhalb und außerhalb des Brandobjektes zeigten ein negatives Ergebnis, sagte der Einsatzleiter der Feuerwehr Seippel. Um dennoch auf „Nummer Sicher“ zu gehen, sei das angefallene Löschwasser in einem Auffangbehälter gesammelt und danach „fachgerecht entsorgt“ worden. Darüber hinaus wurden alle Abwasserkanäle automatisch geschlossen. Ein Cassella-Mitarbeiter wurde mit Verdacht auf Rauchvergiftung in eine Klinik eingewiesen. Über die Höhe des Sachschadens lagen gestern noch keine Angaben vor.

Unklar ist auch, warum beim Wasserabpumpen aus einer Baugrube auf dem Gelände des Stammwerks am Freitag die Verunreinigung des Wassers mit Öl nicht rechtzeitig bemerkt wurde. Die Informationsabteilung des Konzerns konnte dazu gestern keinerlei Angaben machen.

Dagegen dementierte die Hoechst AG umgehend einen Bericht des Spiegel, wonach bei den Reinigungsarbeiten in Griesheim „betrunkene Leiharbeiter“ eingesetzt worden seien und Aushilfskräfte im Werk ungehinderten Zugang zu Steuerungscomputern und Schaltanlagen hätten. Hoechst- Sprecher Klose versicherte, daß die Produktionsanlagen ausschließlich von „Hoechster/Griesheimer-Personal“ bedient würden. Und innerhalb des Werkes sei kein Fall von Trunkenheit auffällig geworden. „Nur bei Reinigungsarbeiten außerhalb des Werkes ist uns ein alkoholisierter Fremdarbeiter gemeldet worden“, so der Sprecher.