Hessen-Löwe mit brauner Mähne

■ „Republikaner“ sahnen ab/ Schwere Verluste für die SPD/ Rot-Grün in Frankfurt wackelt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) – Hessen hat so gewählt, wie es die Auguren prophezeit haben: Verluste für SPD und CDU, beachtliche Stimmengewinne für die Grünen vor allem in den Großstädten – und ein „Coming-out“ für die rechtsradikalen „Republikaner“. Nach der letzten infas-Hochrechnung vor Redaktionsschluß kam die SPD auf 36,4 Prozent (-8,4), die CDU auf 31,9 Prozent (-2,4), die Grünen auf 11,3 Prozent (+2,2), die FDP auf 5,5 Prozent (+0,3) und die „Republikaner“ auf 8,0 Prozent (+7,3). Die Wahlbeteiligung war so gering wie nie: Weniger als 70 Prozent bemühten sich ins Wahllokal.

Die Wahlbeteiligung in Frankfurt, dem traditionell politischen Indikator für die Befindlichkeit der Republik, lag zwar mit 76 Prozent erheblich über dem Durchschnitt der wahlwilligen Hessen. Genutzt hat das aber nicht viel: In der Mainmetropole kamen die „Republikaner“ aus dem Stand auf mehr als 9 Prozent der Stimmen. Zwar sank der Stimmenanteil der NPD zugleich von 5,6 auf 1 Prozent ab, aber zusätzlich konnte die DVU zwischen 3 bis 4 Prozent verbuchen. Die SPD fiel dramatisch um rund 8 auf 32,5 Prozent, die CDU könnte trotz Verlusten (-3,4) mit etwa 32,6 Prozent wieder stärkste Partei werden. Die Grünen kamen auf etwa 14 Prozent (+4).

Nach den Hochrechnungen schien die rot-grüne Mehrheit in der Mainmetropole zumindest rechnerisch dennoch gesichert. Sollte die FDP wie prognostiziert erneut unter der Fünfprozenthürde bleiben, erhielten SPD und Grüne zusammen mehr Sitze im Frankfurter Römer als CDU und „Republikaner“.

In Kassel kommt das Ergebnis der Kommunalwahlen einem Erdrutsch gleich: Dort verloren die Sozialdemokraten mehr als 20 Prozent, die CDU machte 7 Prozent gut, und die „Republikaner“ kamen auf 5,7 Prozent. Zwar konnten die Grünen ihren Stimmenanteil dort nochmals von 12,3 auf etwa 14 Prozent steigern, mit der rot-grünen Koalition in der nordhessischen Metropole dürfte es aber dennoch vorbei sein.

Die ersten Kommentare im Innenministerium in Wiesbaden wurden dem „Ernst der Lage“ (Grüne) gerecht. „Da kriegste Bauchgrimmen“, meinte etwa Barbara Bußfeld, Mitarbeiterin von Sozialministerin Iris Blaul. Als im Rundfunk dann noch das Ergebnis aus der NPD-Hochburg Wölfersheim über die Mattscheibe lief, wurden die Gesichter bei den Etablierten noch länger: Trotz chaotischster kommunalpolitischer Auftritte und einer Halbierung der NPD-Fraktion seit den letzten Wahlen konnten die Rechtsradikalen noch einmal zulegen: 20,9 Prozent (+3,4). Anders in Darmstadt. Dort landeten die Grünen mit 24,3 Prozent einen Kantersieg. Die Darmstädter SPD bekam mit Verlusten von 8,6 Prozent die Quittung für die große Koalition mit der CDU.

In einer ersten Reaktion mochte sich Joschka Fischer (Grüne) nicht so recht über den Grünen-Wahlerfolg freuen. Das gute Abschneiden der Rechtsradikalen bereite ihm „große Sorge“. Während Fischer die Ursachen des Wahlergebnisses als Folge einer Krise der Volksparteien betrachtete, befand Ministerpräsident Eichel (SPD), die Sozialdemokraten hätten nicht klarmachen können, daß die SPD „Anker für das untere Drittel der Gesellschaft“ sei. kpk/hei

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