„Nächste Katastrophe vorprogrammiert“

■ Zweitregister hat sich nicht gelohnt, Sicherheit für Schiffe und Besatzungen ist gesunken

Was tun, wenn das Schiff auf Grund gelaufen ist? So manche Besatzung auf deutschen Schiffen muß da passen. „Wir haben das Boots- und Schiffsmanöver nur im Bordbuch eingetragen, aber nicht geübt“, berichtete gestern ein 2. Offizier, der auf einem Zweitregister-Schiff gefahren ist.

Wenn ein deutscher Reeder seinen Kahn im sogenannten Zweiten Register eintragen läßt, heißt das nämlich: Außer Kapitän und obersten Offizieren dürfen die niedriger qualifizierten Arbeitsplätze mit ausländischen Seeleuten zu Heimatlohnbedingungen besetzt werden. Deutsches Tarifrecht gilt dann für Funker und Maschinisten nicht mehr. Philippinos und Letten sind derzeit die bevorzugten Billig-Seeleute.

Seit knapp zweieinhalb Jahren gibt es das 2. deutsche Schiffsregister. Eine Studie über seine verheerenden Auswirkungen stellten gestern die Bremer Uni und die Arbeiterkammer vor. Ergebnis: Die Sicherheitsverhältnisse an Bord deutscher Zweitregisterschiffe haben sich deutlich verschlechtert. Die Billig-Seeleute seien unterqualifiziert, meist Berufsanfänger, ihre Zertifikate würden von den deutschen Behörden nicht auf Vergleichbarkeit überprüft. Außerdem sprechen sie nur sehr unzureichend Englisch, wenn überhaupt.

Konsequenz: Kapitäne und Offiziere sind ununterbrochen im Einsatz, weil die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Demzufolge übermüden sie und treffen falsche Entscheidungen. Ulf Christiansen von der Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft: „Die nächste Schiffskatastrophe ist vorprogrammiert.“

Von rund 600 deutschen Schiffen der Hochseeflotte sind mittlerweile fast 500 im Zweitregister eingetragen. Der Trend geht weiter zum Ausflaggen: Für die Einstellung von Schiffsbesatzungen gibt es keinerlei nationale Rechtsnormen. So hat die alteingesessene Bremer Reederei Sloman-Neptun ihre 13 Schiffe mittlerweile alle unter der Flagge Liberias oder der Antillen laufen. See-Betriebsrat Bodo Ziesemer: „Die sind den Weg über das Zweitregister gegangen, der sich dann aber doch nicht gelohnt hat.“

Genau das hatte die Bundesregierung eigentlich vermeiden wollen: Mit der Einführung des Zweitregisters und der damit verbundenen Senkung der Lohnkosten sollte die deutsche Schiffahrt konkurrenzfähiger werden. Außerdem wollte man so die deutschen Seeleute schützen. Die Rechnung ging nicht auf. Der Verfasser der Studie, der Soziologe Jens-Peter Harbrecht: Die Kostenvorteile sind durch Subventionskürzungen vom Wirtschaftsminister aufgehoben worden. Ohnehin machen die Lohnkosten nur 2 — 3 Prozent an den Betriebs- und Kapitalkosten eines Schiffes aus.

„Das ist eine Profitmaximierung auf dem Rücken von Umwelt und Arbeitnehmern“, sagt Klaus Meyer von der ÖTV. Sein Vorschlag: Verantwortungslose Reeder sollten keine staatlichen Subventionen bekommen.

Der Bremer Bundestagsabgeordnete in Bonn, Manfred Richter (FDP), der das Zweitregister mitinitiiert hat, sieht das alles ganz anders: Das Zeitregister habe seine Funktion sehr wohl erfüllt, deutsche Reeder vom Ausflaggen abzuhalten. Ohne Zweitregister gäbe es gar keine deutschen Schiffe mehr.

Und daß der Sicherheitsstandard gesunken sei, kann er sich auch nicht vorstellen. Richter gibt den Schwarzen Peter an die deutschen Hafenbehörden weiter. Die müßten die Sicherheitsvorschriften besser kontrollieren.

Cis