Ghali will serbischen Rückzug erzwingen

■ Deutsche Luftwaffe will sich ab Ende März an Hilfsflügen nach Ostbosnien beteiligen/ Bosnier starten Gegenoffensive bei Cerska

Berlin (taz/AFP) – Ist Butros Ghali zu einem Richtungswechsel der Bosnienpolitik der Vereinten Nationen bereit? Dieser Eindruck mußte sich zumindest bei all denjenigen einstellen, die am Sonntag abend das ABC-Nachrichtenmagazin „This week“ verfolgen konnten. Dort erklärte der Generalsekretär, der ein militärisches Eingreifen in Bosnien vor Abschluß eines Friedensplans bisher abgelehnt hatte, sich völlig überraschend zu solch einem Schritt bereit. Sollten die serbischen Truppen nicht bereit sein, das von ihnen eroberte Gebiet zu räumen, so gebe es nur eine „einzige Lösung“, die UN- Truppen müßten diesen Rückzug „erzwingen“. Doch kaum war der vorgebliche Kurswechsel bekannt geworden, da wiegelten UNO-Beobachter auch schon ab. Da der bosnische Präsident Alija Izetbegović offenbar bereit sei, den Vance/ Owen-Plan zu unterzeichnen, gehe es dem Generalsekretär nun darum, Druck auf die Serben auszuüben.

Bereits wenige Minuten nach dem Interview mit Ghali lehnte der amerikanische Verteidigungsminister Les Aspin den Vorstoß Ghalis ab. Von einem militärischen Eingreifen vor Unterzeichnung des Friedensplans wollte er nichts wissen.

Und auch EG-Unterhändler Lord Owen glaubt weiterhin an einen Erfolg der Verhandlungen. Sein ungebrochener Optimismus brachte dann auch die in Brüssel versammelten EG-Außenminister dazu, eine geplante Verschärfung der Sanktionen vorerst zu verschieben. Da war selbst Außenminister Kinkel schärfer. Während er sich bisher für den Vance/Owen-Plan stark gemacht hatte, vertrat er in einem Rundfunkinterview nun die Ansicht, daß man nicht bis zum „Erbrechen“ verhandeln könne. Gleichzeitig waren aber auch bei ihm vertraute Formulierungen zu hören. Der Außenminister zückte einmal mehr das „Damoklesschwert“ und drohte damit verbal den Serben.

Mehr Aktivität zeigt da die Bundeswehr. Wie gestern bekannt wurde, üben die Piloten der Luftwaffe seit einigen Tagen „Nachtformationsflug mit Sichtflugregeln“. Das Ziel: Voraussichtlich ab der letzten Märzwoche möchte man sich mit mehreren Transall-Transportflugzeugen an der US-Luftbrücke nach Ostbosnien beteiligen. Bereits seit August fliegt die deutsche Luftwaffe Hilfsgüter nach Sarajevo. In der Nacht zum Montag hatte die USA-Luftwaffe bereits zum dritten Mal in Folge Lebensmittel und Medikamente über Serbrenica abgewofen. Mit einer schnellen Hilfe für die verletzten und kranken Ostbosnier war auch am Montag nicht zu rechnen. Vielmehr ordnete die Führung der bosnischen Armee die Rückeroberung Cerskas an, die geplanten Waffenstillstandsverhandlungen mit dem serbischen Generalstabschef wurden abgesagt. Zugleich kritisierte Armeechef Sefer Halilovic auch mit Nachdruck Äußerungen des Kommandierenden der UNO- Truppen in Bosien, General Philippe Morillon. Dieser hatte bei seiner Reise nach Ostbosnien am vergangenen Samstag keine Anzeichen für Massaker an der moslemischen Bevölkerung in Cerska feststellen können. Halilovic sagte, Morillon habe sich von den serbischen Einheiten täuschen lassen. Diese hätten rechtzeitig vor seiner Ankunft am Samstag in Cerska alle Beweise für die Massaker beseitigt. „Wir haben Augenzeugen, die am 4. März die Hinrichtung von 200 Zivilisten gesehen haben“, sagte Halilovic. Andere bosnische Führer gaben zu bedenken, daß Morillon während seines eintägigen Besuchs in Cerska längst nicht alles gesehen haben könne. her

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