: Bulgaren zum Billigtarif
■ Illegale Arbeitsvermittlung über Kleinanzeigen / Fax genügt / Putzhilfe, Gynäkologin, Bauarbeiter auf Abruf
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Brauchen Sie zufällig Leute für Ihre Ölplattform, einen Zuckerbäcker, doch eher eine Haushaltshilfe? Alles kein Problem. Sie brauchen nur in die A bis Z zu gucken, und schon lachen Ihnen in der Rubrik Stellengesuche mehrere Spalten Angebote entgegen wie dieses: „Bulgare, 36 Jahre, stark, in guter Gesundheit sucht jede Art von Hilfsarbeit...“, und es folgen immer dieselben Adressen, eine in Plowdiw, einer in Sofia und die dazugehörigen
Ausriß
Faxnummern. Und es werden nicht nur Hilfsarbeiter feilgeboten. Das Angebot geht bis zur Gynäkologin mit zwanzig Jahren Berufserfahrung. Ein bißchen Geduld, bis das Fax seinen Weg durch die verschlungenen Leitungen nach Osteuropa gefunden hat, ein Telefonat — und schon stehen die BilligarbeiterInnen auf der Matte. Die Bremer Test-Firma Steiner hat es vorgemacht (s. unten), andere könnten folgen.
Was schon wie illegale Arbeitsvermittlung aussieht und nach Schwarzarbeit riecht, das ist auch jenseits der Gesetze. Weder beim Bremer Arbeitsamt, noch beim Arbeitsamt Oldenburg, bei dem die Stelle gegen illegale Beschäftigung angesiedelt ist, wußte man von den interessanten Offerten aus Osteuropa. Die Oldenburger Fahnder baten erstmal um Recherchehilfe: „Könnten Sie uns das nicht rüberfaxen?“ Und beim Bremer Arbeitsamt war gestern überhaupt keine Stellungnahme zu bekommen, obwohl die Verantwortlichen schon in der letzten Woche nach dem ersten Hinweis aus allen Wolken gefallen sind.
Mit einigen osteuropäischen Staaten existieren Abmachungen über Kontingent-Werkverträge: 4.000 BulgarInnen dürfen im Jahresschnitt in Deutschland beschäftigt werden. Deutsche Firmen schließen mit bulgarischen Werkverträge ab. Diese Arbeitsverhältnisse müssen von einer Zentralstelle genehmigt werden. Für Bulgarien ist das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg zuständig. Herr Jörg, der zuständige Stuttgarter Sachbearbeiter, ahnte schon: „Was da bei Ihnen in der Zeitung steht, das hat mit dem Kontingent nichts zu tun. Das ist der Versuch einer unerlaubten Vermittlung.“
Und was Herr Jörg aus Stuttgart ahnte, das bestätigt Richard Schaefer von der Frankfurter Zentralen Arbeitsvermittlung. Über seine Stelle müssen alle Saisonverträge gehen. Stichworte: Weinlese und Spargelernte. Und das ist der Weg, den die Firma „Annonce“ aus dem bulgarischen Plowdiw geht — zumindest versucht sie den Anschein zu wahren. Den sie aber nicht gehen darf. Eine deutsche Firma macht einen Saisonvertrag mit einem bulgarischen Arbeiter. Den muß sie allerdings vom hiesigen Arbeitsamt genehmigen lassen. Und das gibt nur dann die Genehmigung, wenn es keine deutschen Arbeitnehmer für dieselbe Tätigkeit gibt. Beim Bremer Arbeitsamt weiß man nichts von solchen Genehmigungen. Und dazu kommt: Mit Rumänien gebe es einen Vertrag über Saisonarbeiter, mit Ungarn auch, mit Polen, mit Bulgarien aber nicht. Ausnahme: Das Hotel- und Gaststättengewerbe. Schaefer über die Bremer Anzeigen: „Das stinkt zum Himmel! Jochen Grabler
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