Stau - jetzt geht's los

■ Mit Hochgeschwindigkeits-Fernsehspiel zur Autobahngebühr will der WDR-Trabant Kommerz-Flitzer abdrängen

If You can't beat 'em, join 'em, sagt eine alte amerikanische Lebensweisheit. Der WDR hat sich das jetzt zu Herzen genommen. Wegen ständig fallender Einschaltquoten des Dritten – in Nordrhein- Westfalen zuletzt um die acht Prozent – soll West 3 völlig umstrukturiert werden, um sich dem wachsenden Druck der Privaten zu erwehren. Die größten Quotenbringer der Kommerziellen sind Voyeur-Sendungen wie „Auf Leben und Tod“ und Anbrüllshows zu vermeintlich akuten Themen.

In diesem Terrain will der WDR jetzt ein bißchen wildern und brandheiße Themen in Rekordzeit zu Fernsehspielen veredeln. „Brandheiß“ – so heißt das Produkt dieser Bemühungen dann auch, das einmal im Monat mittwochs von West 3 präsentiert wird. Jeder Film soll sich mit einem Thema beschäftigen, das gerade angesagt ist: Und damit es auch dann noch in der Diskussion ist, wenn das Fersehspiel fertig ist, will man jede Folge in einem Monat produzieren, von der Idee bis zur fertigen Sendung – nicht nur für öffentlich-rechtliche Anstalten Hochgeschwindigkeitsrekord. „Kunstwerke für die Ewigkeit“ werden das wohl nicht werden, schränkt WDR-Redakteur Martin Wiebel auch gleich ein, eher rauhe, holprige Stücke. Möglich werden die Fernseh-Quickies durch Aufnahmemethoden wie bei einer TV- Reportage. Gedreht wird nicht auf Film, sondern mit Videomaterial. Statt fünf Takes muß der erste sitzen, die Ergebnisse können sofort zurückgespult und auf dem Monitor überprüft werden, auf elektronischen Schneidetischen werden sie montiert wie Nachrichtenbeiträge. Das größte Problem bei dieser Art von Arbeit sei der gigantische WDR-Apparat, gibt Martin Wiebel zu.

Die Idee für die erste Folge des öffentlich-rechtlichen Reality-TVs wurde am Montag vor Journalisten in Köln enthüllt: „Super Stau“ ist der Arbeitstitel des Pilotfilms, der am 7. April gezeigt werden soll. Autor Michael Klaus („Nordkurve“) und Regisseur Peter Ristau haben mit landesüblicher Politverdrossenheit die „Bonner Polit-Posse“ um Autobahn-Vignette und Mineralölsteuer zum Thema des Monats erklärt.

Außerdem hat der WDR als erster öffentlich-rechtlicher Sender einen Star von den Privaten abgeworben. Roger Willemsen von Premiere wird ab April im WDR eine monatliche Talkshow moderieren, die keine ist. Titel: „No talk“. Außerdem werden längere Portraitsendungen gemeinsam mit Premiere produziert, die der Pay- TV-Kanal verschlüsselt erstausstrahlt, bevor sie der WDR recycelt. If you can't beat 'em...

„Brandheiß – Stücke zur Zeit“, ab 7.4., West 3, 22 Uhr; H3, 22.15 Uhr; N3, 22.30 Uhr; ORB, 21.45 Uhr. „No Talk“ mit Roger Willemsen, ab 16.4., West 3, 22 Uhr