Maastricht-Ratifizierung verzögert

■ Euroskeptische Torys stimmen im britischen Unterhaus für einen Änderungsantrag der Labour-Opposition

London (taz) – Die Europa- Gegner in der britischen Konservativen Partei haben zum ersten Mal Ernst gemacht. 26 von ihnen unterstützten am Montag abend bei der Abstimmung über den Regionalstatus in den Maastrichter Verträgen einen Änderungsantrag der Labour Party. Da sich 16 weitere Tory-Rebellen enthielten und die Liberalen sowie die nordirischen Unionisten mit Labour stimmten, wurde der Antag überraschend deutlich mit 22 Stimmen Mehrheit angenommen. Es war die erste Niederlage für Premierminister John Major seit den Wahlen vor einem Jahr.

Bei dem Antrag der Labour Party ging es darum, die für die Verteilung der EG-Gelder zuständigen Regionalausschüsse in Zukunft mit direkt gewählten – statt von Brüssel ernannten – Vertretern zu besetzen. Zwar ist diese Änderung unerheblich, doch sie bedeutet, daß die Ratifizierung der Maastrichter Verträge weiter verzögert wird. Die Regierung muß das Vertragswerk nun an einen weiteren Ausschuß verweisen, bevor es dem Oberhaus eingereicht werden kann. Ursprünglich sollten die Verträge am 18. Mai, dem Tag des dänischen Maastricht-Referendums, von den Unterhaus-Ausschüssen abgesegnet und nach Pfingsten dem Oberhaus vorgelegt werden. Die endgültige Ratifizierung war für den 19. Juli geplant. Durch die Abstimmung vom Montag verzögert sich der Zeitplan um mindestens vier Wochen.

Der erfolgreiche Antrag verschafft der Labour Party auch die unverhoffte Gelegenheit, im Ausschuß weitere Änderungsanträge einzubringen – zum Beispiel in bezug auf die Sozialcharta, aus der sich Großbritannien bisher ausgeklinkt hat. Außenminister Douglas Hurd hatte Ende vergangenen Jahres gedroht, daß die Regierung die Maastrichter Verträge platzen lassen werde, falls sich das Parlament für die britische Beteiligung an der Sozialcharta entscheide. Gestern sagte Hurd: „Konsequenz der Abstimmung vom Montag ist eine Verzögerung, eine perverse Verzögerung.“ Doch er fügte trotzig hinzu: „Ein verzögerter Vertrag ist besser als ein abgelehnter Vertrag.“

An der Ratifizierung der Maastrichter Verträge bestehen indes kaum Zweifel, da sowohl Labour als auch die Liberalen ihre Unterstützung bei der entscheidenden Abstimmung zugesichert haben. „Wir haben immer betont, daß wir den Kern der Verträge nicht gefährden werden“, sagte Paddy Ashdown, der Vorsitzende der Liberalen. „Das heißt aber nicht, daß wir für jeden Punkt und jedes Komma stimmen müssen.“

Die Niederlage ist für Major eine erhebliche persönliche Schlappe, die seine Autorität weiter untergräbt. Auf einer Parteiversammlung hatte er hinter verschlossenen Türen den schottischen und walisischen Nationalisten wichtige Ausschußposten als Gegenleistung für ihre Stimmen angeboten, doch auch damit konnte er die Niederlage nicht verhindern. Majors Anhänger beschimpften die Rebellen in der eigenen Partei als „Bastarde“ und „außer Kontrolle geratene Roboter“. Bill Cash, der Sprecher der Tory-Eurogegner, verließ das Parlament dagegen mit einem breiten Grinsen und sagte: „Das zeigt, daß das Parlament als demokratische Institution funktioniert hat.“ Ralf Sotscheck