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KZ-Schergen auf Weimarer Friedhof geehrt

■ Stadt läßt SS-Dienstgrade entfernen – Grabsteine bleiben/ Kriegsgräberfürsorge: Auch KZ-Wächter sind Kriegstote/ Angst vor rechtsradikalen Gedenkfeiern

Berlin (taz) – Auf dem Weimarer Hauptfriedhof werden derzeit Grabsteine, die gerade erst vom Steinmetz gekommen sind, wieder eingezogen. Die Dienstgrade, die neunzehn Tote als SS-Angehörige identifizieren, sollen ausgemeißelt werden. Die Kosten von 1.500 Mark trägt die Stadt. Den Beschluß zur Nachbearbeitung der Grabsteine faßte das Weimarer Stadtparlament nach Bürgerprotesten am 24. Februar auf Antrag der PDS.

Aufgestellt hat die Grabsteine mit SS-Diensträngen der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), der im Herbst letzten Jahres begann, die Soldatengräber wieder kenntlich zu machen. Die Stadt Weimar unterstützte diese Arbeit, weil sie so die Neugestaltung und künftige Pflege des Gräberfeldes nicht selbst finanzieren mußte. Das Geld kommt von der Bundesregierung; zuständig ist das Bundesfamilienministerium.

Für den Geschäftsführer des thüringischen Landesverbandes des VDK, Hans-Joachim Kahlo, ist es keine Frage, so Kahlo zur taz, daß „Soldaten der Waffen-SS, die als Soldaten gekämpft haben, auch mit ihrem Dienstrang bestattet werden“. Das sei international so üblich. SS-Dienstgrade würden dabei behandelt wie Wehrmachtsdienstgrade. In Weimar würdigen Stadt und VDK jedoch nicht jene vielbeschworenen, unschuldigen 18jährigen, die noch 1945 zur Waffen-SS eingezogen wurden, sondern KZ-Schergen, Angehörige der SS-Totenkopfverbände. Denn nur wenige Kilometer vom Hauptfriedhof entfernt liegt das KZ Buchenwald.

Das SFB-Magazin „Kontraste“ brachte am Montag Beispiele. Der SS-Oberscharführer Heinrich Bleckmann wurde, wie Dokumente der SS aus dem KZ belegen, schon 1942 an seinem Grab geehrt. Er gehörte zum Totenkopf-Sturmbann Buchenwald, also zur Wachmannschaft des Konzentrationslagers. Auch die mit neuen Grabsteinen Gewürdigten SS-Sturmmann Senczuk, Unterscharführer Kleist, Rottenführer Edlinger, Rottenführer Krüger und Rottenführer Eckstein waren KZ-Bewacher. Und der Obersturmführer Bruno Dembeck, am 31.12.1944 an Venenentzündung gestorben, folterte und ermordete Häflinge in Sachsenhausen, Dachau und am Ende in Buchenwald. Aus den im Bundesarchiv lagernden Akten sowjetischer Ermittlungsbehörden, die „Kontraste“ zeigte, geht hervor: Dembeck war Führer des Totenkopfkommandos.

Auch für Kahlo ist klar, daß es sich bei mehreren der in Weimar liegenden „Soldaten“ „eindeutig um SS-Schergen handelt“. Doch sind sie für ihn genauso eindeutig „Kriegstote“. Der VDK „wird sich nicht hinstellen und an den Gräbern Entnazifizierungen durchführen“. Tatsächlich sind nach dem deutschen Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft von 1965 auch KZ-Wächter „Kriegstote“, wenn sie beispielsweise bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sind. Auf dem Weimarer Friedhof liegen denn auch 130 KZ-Bewacher, die bei dem alliierten Bombenangriff auf das Lager am 24.8.1944 starben. Auch deren Gräber betreut und pflegt der VDK – so wie das Grab des im Lazarett gestorbenen Obersturmführers Dembeck. Denn es werden ja nur die SS-Dienstränge entfernt, die Steine mit den Namen bleiben stehen.

Für den Volksbund und die Stadt Weimar scheint das Problem mit den SS-Schergen damit erledigt. Oberbürgermeister Klaus Büttner (CDU) sorgt sich vor allem um Ruhe auf dem Friedhof und das Image der Stadt. In einem Brief an den VDK-Landesverband mit der Bitte, die SS-Dienstränge von den Grabsteinen entfernen zu dürfen, schreibt Büttner: „In der heutigen politischen Situation erscheint es mir wichtig zu sein, daß politischen Extremen nicht die Gelegenheit gegeben wird, diese Gräber zu mißbrauchen.“ Es müsse sowohl rechtsradikalen Kundgebungen an der Ruhestätte ihrer Vorbilder entgegengewirkt werden als auch der Gefahr, daß „politisch Andersorientierte diese Gräber zu zerstören versuchen“. Bettina Markmeyer

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