"Die haben sich gesund gelogen"

■ Einkaufsgalerie Winterhuder Markt: Geschäftsleute als Opfer von Immobilienspekulanten? / Ignatz Bubis auch beteiligt

: Geschäftsleute als Opfer von Immobilienspekulanten? / Ignatz Bubis auch beteiligt

Leute, Leben, Lust und Laune heißt der Slogan, mit dem die Einkaufsgalerie Winterhuder Markt für sich wirbt. Die Werbebotschaft ist zur Farce geworden: Das Einkaufszentrum gleicht einem Geisterhaus, Ladentüren bleiben verschlossen, Schaufenster sind verhängt. Zwölf der vierzig Läden stehen bereits heute leer, weitere Geschäftsleute haben bereits ihren Auszug angekündigt. Die Ladenbesitzer sehen sich als Opfer einer Immobilienspekulation des Zentrums-Eigentümers, der LBB Liegenschaften Berlin.

Das Ende einer Mißwirtschaft: Vor knapp vier Jahren lockte die Philipp Holzmann KG, Erbauer der Einkaufspassage am Winterhuder Marktplatz, Einzelhändler mit blumigen Umsatzprognosen in das Zentrum. 50 Millionen Jahresumsatz werde das Zentrum machen, versprachen die Holzmann-Mitarbeiter und knebelten die Einzelhändler mit entsprechend saftigen Mieten. „Die haben sich gesund gelogen“, weiß Obststand-Besitzer Jürgen Börger, Sprecher der verbliebenen ,Galeristen': „Wir erreichen nicht einmal ein Zehntel des in Aussicht gestellten Umsatzes.“ Tendenz: stark fallend.

Die Folge: Immer mehr Ladenbesitzer haben die Segel gestrichen, einer nach dem anderen zog aus. Seit die LBB-Liegenschaften Berlin GmbH im vergangenen Jahr für rund 30 Millionen das Zentrum kaufte, geht es noch steiler bergab. Vor wenigen Tagen räumte auch die Schlachterei ihre Tresen, Ende des Monats will der italienische Pizza-Bäcker die Glut in seinem Ofen endgültig löschen. „Noch mindestens drei weitere Läden werden in den nächsten Monaten dichtmachen“, hat Börger von seinen Kollegen erfahren. Denn der Massenauszug der Geschäftsleute zeigt deutliche Sogwirkung: Weil immer mehr Produkte in der Galerie nicht mehr zu haben sind, wandern zunehmend Kunden ab.

Die Winterhuder Geschäftsleute werfen der neuen Besitzerin vor, durch völlig überhöhte Mietforderungen potentielle Nachmieter gezielt abzuschrecken. Eine der Gründe für den provozierten Leerstand ist nach taz-Informationen eine Vertragsklausel, die die Holzmann KG verpflichtet, der Berliner Gesellschaft die Mieten für leerstehende Geschäftsräume zu ersetzen.

Monatelang gelang es den Geschäftsleuten nicht einmal schriftlich, Kontakt mit der neuen Eigentümerin der abgewirtschafteten Einkaufsgalerie herzustellen. Erst als das Wirtschafts- und Ordnungsamt des Bezirks Hamburg-Nord sich einschaltete, bequemten sich die Verantwortlichen der Berliner Immobiliengesellschaft im Januar, mit den Ladenbesitzern Kontakt aufzunehmen. Die Berliner Betreibergesellschaft hüllt sich aber über die weiteren Pläne für die Ladenpassage in Schweigen. LBB-Geschäftsführer Bernhard Stöckigt zur taz: „Kein Kommentar“.

Klar ist nur: Die Einkaufsgalerie soll ein neues Gesicht erhalten. Im

1Dezember reichten die neuen Besitzer einen Umbauantrag beim Bezirksamt-Nord ein.

Mit einem offenen Brief haben sich einige Geschäftsbesitzer sogar schon an ihre KundInnen gewandt. Darin heißt es: „Wir sind sogar der Meinung, daß eine gewisse Absicht des Eigentümers dahintersteckt, die Attraktivität des Centers herabzusetzen und dadurch auch die noch verbleibenden Geschäftsleute

1zur Aufgabe zu zwingen.“ Die noch verbliebenen „Ladenhüter“ vermuten, das Center solle, „gesäubert von lästigen Mietern, in ein Büro- und Ärztehaus umgewandelt werden“.

Besonders pikant: An dem Spekulationsgeschäft um die Winterhuder Einkaufsgalerie ist auch Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland und derzeit als künftiger Bundespräsident

1im Gespräch, zumindest finanziell beteiligt. Die Hälfte der Anteile der LBB-Liegenschaft GmbH liegen in der Hand der Berliner Landesbank, die restlichen 50 Prozent teilt sich Bubis mit dem Geschäftsmann Sruel Prajs. Eine Stellungnahme von Bubis zu den Winterhuder Vorgängen war von Bubis bis Redaktionschluß nicht zu erhalten. Er sei verreist, teilte sein Frankfurter Büro mit. Marco Carini