"Liebe Taz..."
: Treffpunkte zerschlagen

■ zu: Hausdurchsuchung, taz vom 10.3.

Am Dienstag, 9.3.93, wurden in Bremen die Jugendinitiative Sielwallhaus, der Infoladen Umschlagplatz und eine Privatwohnung von der politischen Polizei durchsucht. Begründet wurden die Durchsuchungen mit zwei Gerichtsbeschlüssen von Anfang Februar '93. Darin geht es um angebliche „öffentliche Aufforderung zu Straftaten u.a.“ und um ein „Vergehen gegen das Kunsturhebergesetz“.

Die „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ bezieht sich auf Schleckies (Klebebilder), die vom Infoladen Umschlagplatz-Versand schon seit ca. 2 Jahren vertrieben werden. Kriminalisiert wurden 7 Motive: unter anderem „Zerschlagt die Nazibanden“, „Laßt Pornoläden zu Asche werden“, „Sabotiert die Wahlen“. Gesucht wurden auch Unterlagen zu Herstellung und Vertrieb.

Das „Vergehen gegen das Kunsturhebergesetz“ bezieht sich auf Fotos, die bei der Bremer Demonstration anläßlich der faschistischen Morde in Mölln gemacht wurden. Die Bilderserie dokumentiert Polizeieinsätze und —übergriffe während der Demonstration. Es sind keine Portraitaufnahmen und Mehrfachvervielfältigungen vorhanden, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet wird. Diese Fotos sind bereits im Dezember –92 bei einer Personalienfeststellung endeckt worden, konnten aber nicht beschlagnahmt werden. Seitdem vermutet die Polizei die Bilder im Sielwallhaus bzw. in der durchsuchten Privatwohnung.

Bei der Durchsuchung des Sielwallhauses wurden vom SEK (Sondereinsatzkommando) in bekannter Holzhammermethode völlig unnötig sämtliche verschlossenen Türen und Schränke aufgebrochen. Dabei wurde ein Sachschaden von ca. 10.000 Mark angerichtet. Während der Durchsuchung wurden zunächst weder ein Rechtsanwalt noch der Vereinsvorsitzende (mit Schlüsseln) in das Haus gelassen.

Bei den drei Durchsuchungen wurden insgesamt mehrere Kisten Aufkleber, ca. ein Dutzend politische Broschüren und diverse schriftliche Unterlagen beschlagnahmt.

Wir werten die Vorwürfe als Vorwände, um Aktivitäten linker und unabhängiger Initiativen und Gruppen zu behindern und einzelne Personen einzuschüchtern.

Die Jugendinitiative bietet seit Jahren Raum für Gruppen, die sich mit Antifaschismus und Antirassismus sowie anderen Themaen beschäftigen. Im Haus wurde unter anderem ein Antifa-Cafe eingerichtet, regelmäßig findet eine Volksküche statt, das Cafe Suspekt ist Treffpunkt von Schwulen und Lesben.

Der Infoladen hat sich in den letzen Jahren immer mehr zu einem Punkt entwickelt, wo sich interessierte Leute staatlich unterdrückte Informationen besorgen können.

Wir sehen diesen Angriff auf das Sielwallhaus und den Infoladen als Versuch, Treffpunkte zu zerschlagen. Es ist bezeichnend, daß in dieser Zeit, in der Faschisten sich immer besser organisieren und rechtes Gedankengut verbreiten, linke Zentren die staatliche Willkür zu spüren bekommen.

Wir fordern die sofortige Einstellung der Verfahren, sowie die Rückgabe der beschlagnahmten Sachen. Des weiteren, daß die angerichteten Schäden im Sielwallhaus von der Polizei übernommen werden und die repressiven Kräfte des SEK, der Inspektion 7 (K 70, K3) und besonders der Einsatzleiter suspendiert werden!

Klaus Schüler, Günter Weimer, Jugendinitiative Sielwallhaus

Für Spenden : Konto: Stichwort 9.3., Kto-Nr. 11 96 872,

Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01