Wende durch Mende

■ Mit dem zweiten Sieg gegen Mannheim quält sich Köln Richtung rheinisches Finale, die DEG ist drin und erspart den Berlinern durch späten Tod den plötzlichen Tod

Köln (taz) – Früher hatten die Kölner Haie einen Menschen namens Pabst in der Vereinsführung. Jetzt haben sie mit Wladimir Wassilijew einen Trainer, der seine Spielanalyse nach jedem Spiel in sehr gebrochenem Deutsch vom Blatt abliest, und das klingt dann immer wie die gäsägnätä Waihinaachtänn, die uns der Papst alljährlich in seiner Ansprache zukommen läßt. Am Dienstag, nach dem 5:2 und damit einer 2:1-Führung im Halbfinal-Playoff, folgenden Inhalts: „In Mannheim vierter Sturm schläächt. Häute vierter Sturm gut. Deswäägen Sieg.“

Nun ist Wassilijew niemand, über den sich in Köln lustig zu machen gelte. Nach schwachem Saisonstart hat der Russe einen neuformierten Haischwarm gebändigt und seit November mit allseits hochgelobten Trainerkünsten zu einer vergleichbaren Siegesserie wie Konkurrent Düsseldorf gecoacht.

Nur Mannheim als Gegner, das ist für Köln immer eine heikle Angelegenheit: Im Vorjahr überraschend im Viertelfinale ausgeschieden und in der Vorrunde 92/93 nur ein Sieg in vier Spielen. Angstgegner sagt man dazu.

Gegen den Mannheimer ERC zu spielen, das Team mit den häßlichsten Trikots der Liga in schwarz-rosa-weiß und zudem mit augenschmerzendem Design, ist ohnehin kein Hockeygenuß: Stets spielen sie defensiv, bisweilen destruktiv, scheinbar leidenschaftslos, unterkühlt, zerstörungsintensiv. Nie suchen sie den erregenden offenen Schlagabtausch, immer kuscheln sie sich in ihrem Drittel ein und harren der Dinge, die der Gegner da so anzustellen versucht.

Zweimal fanden die schnellen Kölner Sturmflitzer trotz Raumnot die Lücke im routinierten Mannheimer Eisbollwerk, fühlten sich überlegen auf dem rechten Weg, aber postwendend stocherte ein MERCler den Puck zum Ausgleich ins Netz. Frust machte sich breit, weil die scheinbar Unterlegenen Gegentore regungslos wegsteckten, immer nur cool auf ihre Chance warteten, und auch nach vergebenen Gelegenheiten nicht verzweifelten, so, als seien sie sich ihrer Sache absolut sicher.

Besonders nervraubend muß es sein, wenn man zudem mit Mannheims Peter Franke auch noch den mit Abstand unsichersten Kastenwächter der Playoffs vor sich hat, aber auch dessen Fangschwäche und Reaktionsarmut nicht ausnutzen kann.

Erst die kölsch jecke Zahl 11 Minuten und 11 Sekunden im zweiten Drittel brachte die Wende: Da kassierte Hanft eine (umstrittene) Strafzeit und kurz darauf Kölns Verteidiger Mende mit seinem zweiten Tor das „vorentscheidende 3:2“ (MERC-Trainer Kochta). Der Rest war sensationeller Mannheimer Übermut, der prompt bestraft wurde: einmal richtig angegriffen, prompt zum 4:2 ausgekontert. Und dann, in einem Anflug von Selbstzerfleischung, nimmt Kochta bei 5 gegen 4 volle vier Minuten vor Schluß Keeper Franke für einen weiteren Angreifer vom Eis: 12 Sekunden später hatte Brandl das leere Tor getroffen.

Auch die Zuschauer, ohnehin die stillsten der vier rheinischen Eisarenen, erwachten jetzt aus ihrer Lethargie und trugen umgedichtetes Karnevalsliedgut vor. Und als auch noch zeitgleich der Ausgleich der Berliner Preussen bei der ungeliebten DEG vermeldet wurde, feuerte der Rheinländer vieltausendfach eine ansonsten sehr ungeliebte Volksgruppe an: „Preussen, Preussen...“ Erfolglos, wie wir wissen.

Als die Düsseldorfer EG mit dem Treffer von Reiner Zerwesz 32 Sekunden vor Schluß den Berlinern den vorzeitigen Tod bescherte, der ihnen diesmal zumindest den plötzlichen Tod in der Verlängerung ersparte, duschte sich Mannheims Nationalverteidiger Mike Heidt schon das Blut vom zugeschwollenen Auge und den frisch genähten Brauen. Stockstich von Lupzig kurz vor Schluß, ereiferten sie sich alle in der Mannheimer Kabine, besonders unerhört weil ungeahndet, und kündigten voll Ingrimm einen heißen Tanz an für das vierte Match am Freitag. Richtig weh täte das Auge gar nicht, sagte Heidt, der nette Bursche aus Calgary mit dem Gesicht wie aus Frankensteins Labor, „not wirklich pain, es brennt nur im Innern wie Schmirgelpapier“.

Von wegen leidenschaftslos: Für Freitag reicht notfalls auch das eine Auge. Dann tut, Trikots betreffend, auch nur eines weh. Bernd Müllender