■ Zur Schließung des Stahlwerks in Duisburg-Rheinhausen
: Aus für die Helden von einst

Was bedeuten in Deutschland im Jahre 1993 schon 2.100 Arbeitsplätze weniger? Da brechen im Osten der Republik ganze Branchen weg, da entstehen industrielle Wüsten von der Größe mittlerer Bundesländer, und der Abbau an Arbeitsplätzen läßt sich nur noch in Hunderttausenden beziffern. Doch die Medien blicken alle auf Rheinhausen. Ob in Bautzen oder Chemnitz zehntausend Metaller auf die Straße gehen, ob in Riesa oder Leuna ganze Industriebetriebe geschlossen werden, interessiert da nur am Rande. Warum?

Rheinhausen ist mehr als nur ein x-beliebiger Standort. Die angekündigte Schließung des Stahlwerks zerstört ein Stück industrieller Kultur. Das Bild vom stahlharten männlichen Arbeiter, diese Verkörperung proletarischer Elite und Kampfkraft, es ist passé. Die Helden von einst sind nicht mehr gefragt. Noch vermögen sie mit mediengerechten Protesten ihren Zorn in die „Tagesschau“ zu tragen, doch als Hoffnungsträger der Umverteilung von oben nach unten haben sie längst ausgespielt. Was ihnen und den Gewerkschaften bleibt, ist die Aushandlung möglichst erträglicher Sozialpläne und die vage Hoffnung auf Ersatzarbeitsplätze.

Vor fünf Jahren war Rheinhausen einmal ein Symbol dafür, daß es sich lohnt zu kämpfen. Solidarisches Handeln gegen „die da oben“ schien nicht länger nur ein utopisches Projekt linker Theoretiker-Zirkel, die den Arbeitskämpfen der zwanziger Jahre nachtrauerten, sondern praktisch machbar. Mit ihrem Erfolg gegen die damaligen Stillegungspläne von Krupp nährten die Rheinhausener die Hoffnung, daß Verteilungskämpfe mehr sein können als mitternächtliche Einigungsrunden zwischen Großer Tarifkommission und Gesamtmetall.

Der Erfolg von damals bleibt – trotz des diesjährigen Aus für Rheinhausen. Doch an die Wirksamkeit von Massenprotesten vermag heute, da die Verteilungskämpfe nicht nur zwischen oben und unten, sondern auch zwischen Ost und West eskalieren, kaum noch jemand zu glauben. Politik findet wieder im Saale statt – bei Solidarpaktdebatten, Länderfinanzausgleich-Diskussionen und in der Großen Tarifrunde. Klaus Hillenbrand