: Bosnische Offensive erfolglos
■ Srebrenica vor dem Fall/ Mitterrand trifft Milošević
Belgrad (AP/AFP/taz) – Die vor zwei Tagen begonnene Entlastungsoffensive der bosnischen Regierungstruppen ist vorerst wirkungslos verpufft. Wie Funkamateure meldeten, gelang es den serbischen Truppen, den letzten Verteidigungsring um Srebrenica zu durchbrechen. Sie stehen nun noch drei Kilometer vor dem Ortskern. In Srebrenica, wo rund 60.000 Einwohner und Flüchtlinge zusammengedrängt sind, sterben nach Berichten der Weltgesundheitsbehörde (WHO) trotz wiederholter Abwürfe von Lebensmitteln und Medikamenten der US-Luftwaffe täglich 20 bis 30 Menschen. 400 Bosnier müßten dringend evakuiert werden.
Ein UNO-Konvoi, der verwundete Muslime aus Konjevic Polje evakuieren soll, wartet am Grenzkontrollpunkt Zvornik seit zwei Tagen auf die serbische Genehmigung zur Weiterfahrt. Ein französischer Blauhelmsoldat wurde verletzt, als aus einem vorbeifahrenden Auto das Feuer auf die Lastwagen eröffnet wurde. Wenige Minuten zuvor hatte der nationalistische serbische Abgeordnete Vojislav Šešelj den Blauhelmen gedroht, auf sie zu schießen, weil ihr Konvoi die bosnisch-serbische Grenze blockiere und einen Verkehrsstau verursache. In Konjevic Polje sollen unterdessen 100 Menschen im serbischen Artilleriefeuer ums Leben gekommen sein.
Der französische Staatspräsident François Mitterrand schaltet sich in die Friedensverhandlungen zu Bosnien-Herzegowina ein, um den Druck auf die Serbien zu verschärfen. Er trifft heute nachmittag in Paris mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević und den Vertretern von EG und UNO, Lord Owen und Cyrus Vance, zusammen. Die Vermittler hoffen, daß Paris seinen Einfluß auf die bosnischen Serben geltend machen kann, damit diese das Friedensabkommen für Bosnien unterzeichnen.
Frankreich besitzt immer noch relativ gute Beziehungen zu Serbien, die auf den Ersten Weltkrieg zurückgehen, als die Franzosen die Serben unterstützten. Obwohl Belgrad einzelne französische Minister wegen ihrer Haltung im Jugoslawien-Krieg heftig kritisiert, wird vor allem Präsident Mitterrand respektiert. In Serbien hält sich das Gerücht, er habe im vergangenen Juni eine Intervention in Bosnien verhindert, indem er die Öffnung des Flughafens von Sarajevo durchsetzte.
Parteienvertreter aus Tuzla forderten die bosnische Führung am Dienstag auf, UNPROFOR-Kommandant Philippe Morillon in Bosnien zur Persona non grata zu erklären. Morillon habe sich bei seiner Reise nach Cerska offen auf die Seite der serbischen Aggressoren geschlagen, erklärten das Demokratische Forum und die Vereinigung der muslimisch-bosnischen Intellektuellen. Sie warfen dem französischen General mangelnde Objektivität und Zynismus vor. Nach seinem Besuch in Cerska hatte Morillon berichtet, er habe keine Spuren der Massaker gefunden, über die bosnische Amateurfunker berichtet hatten. nig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen