Stahlharte Zukunft

■ Demonstrationen in Düsseldorf, im Saarland und Bochum/ Entlassungen in Völklingen und Peine

Rheinhausen/Berlin (dpa/taz) – Rheinhausen ist überall: Einen Tag nach dem Stillegungsbeschluß für das Werk von Krupp-Hoesch gingen am Mittwoch auch andernorts ArbeiterInnen auf die Straße: im saarländischen Völklingen demonstrierten mit Transparenten wie „Der Montanstandort Saar muß erhalten bleiben“ rund 15.000 Menschen. Unter den Demonstranten war verlogenerweise auch Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD). Die Dillinger Hütte Saarstahl AG (DHS), an der das Saarland mit 27,5 Prozent beteiligt ist, hatte noch für dieses Jahr den Abbau von mindestens 2.000 der rund 15.000 Arbeitsplätze angekündigt.

Vor dem NRW-Landtag in Düsseldorf protestierten mehr als 600 Stahlarbeiter aus Duisburg-Rheinhausen. Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) forderte die Bundesregierung auf, endlich „Flagge zu zeigen“: „Es geht nicht, daß Bonn sich taub stellt und so tut, als gehe die Situation beim deutschen Stahl weder die Bundesregierung etwas an noch die Europäische Kommission.“ Die Bundesregierung hat allerdings noch keine Pläne zur Bewältigung der Stahlkrise, wie Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt in schöner Offenheit zugab. Allerdings stünden (wohl zur „sozialen Abfederung“) „erhebliche Mittel aus Bonn und Brüssel zur Verfügung.“

Die IG Metall warf Krupp-Hoesch eine „Politik der verbrannten Erde“ vor. Ohne ein „Minimalkonzept für sozial und regional verträgliche Maßnahmen“ verfolge der Konzern ein „Maximum an Arbeitsplatzvernichtung“, sagte Vorstandsmitglied Dieter Schulte in Düsseldorf. Betriebsräte der Deutschen Angestellten- Gewerkschaft (DAG) aus allen deutschen Stahlunternehmen forderten die Rücknahme der Rheinhausen-Entscheidung.

In einem Autokorso wollen die Stahlkocher am Donnerstag aus Rheinhausen zur Aufsichtsratssitzung von Krupp- Hoesch nach Bochum reisen. Auch Dortmunder Stahlarbeiter, die nach dem vorgelegten Konzept mit einem Abbau von rund 2.400 Stellen rechnen müssen, werden in Bochum erwartet.

Nach Gesprächen mit Betriebsratsvertretern des Rheinhausener Werkes war Rau von den Stahlkochern vor dem Landtagsgebäude mit Pfiffen und „Judas“-Rufen empfangen worden. Rau erinnerte an eine nach den Massenprotesten im Winter 1987/88 getroffene Vereinbarung mit den Unternehmen, im Falle einer Stillegung Rheinhausens 1.500 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Rau verlangte außerdem ein unabhängiges Gutachten über die von den Unternehmen vorgelegten Zahlen zur Wirtschaftlichkeit der Stahlstandorte.

Der europäische Stahlmarkt wird sich nach Einschätzung der PSAG-Preussag Stahl AG (Peine) kurz- und mittelfristig nur geringfügig erholen. Das Unternehmen will die Mitarbeiterzahl von derzeit gut 10.000 um 1.500 reduzieren.

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