■ Gastkommentar
: Fossil gegen Küken

Eine olle Kamelle zwar, aber wir sollten sie nicht vergessen: Es gab einmal einen amtierenden Senator, der forderte nach der verheerenden Wahlniederlage der bremischen SPD, wie sie heute in Deutschland ihresgleichen sucht, vor der versammelten Landespressekonferenz im Rathaus zu Bremen den Kopf des einen Stock tiefer an seinem Schreibtisch brütenden Bürgermeisters. Der aber schmiß ihn, Konrad Kunick, aus dem Senat, nachdem er als Bausenator getreulich allen Scheiß auf sich genommen hatte, den Bürgermeister und Senat auf ihn luden, vom Millionenpissoir bis zur Kongresshalle. Und seitdem vertritt Konrad konsequent eine andere Politik als das Rathaus; gegen den Ampelfreak Wedemeier fordert er die Große Koalition für Bremen. Und trotzdem tritt der tapfere Konrad diesmal nicht gegen Klaus und Konsorten an, sondern ist deren Mann. Das vereinigte amtierende Bremer Parteiestablishment rückt geschlossen für Konrad in die Schlacht. Die Mobilisierungskräfte der AFA, die Redenschreiber im Rathaus und was sonst im sklerotischen Parteiapparat sich noch regen kann, kämpfen für Konrad.

Die Fronten sind klar: entweder neue Leute mit neuem Konzept oder die alte Wurstelei geht weiter. Neue Leute aber sind allemal ein Risiko. Wenn sie nicht wieder von den alten Seilschaften umschlungen werden wollen, müssen sie scharfe Schnitte machen. Da tun sich quasi zwei Parteien unter dem gleichen Namen auf: die Altpartei, das fossile Krustentier, das jeder kennt, und die Reformpartei, das Küken mit den Eierschalen, von dem kaum einer weiß.

Wer aber soll die Bremer SPD erneuern? Im Vorhof der Macht, wo sich die neue Mannschaft tummeln müßte, gibt es nur Eckensteher. Die Jusos werden inzwischen in der toten Liste aussterbender Arten geführt. Und trotzdem fühlt sich die Altpartei bedroht. Sie weiß nicht mehr, wie es mit der SPD weitergehen soll. Anders ist ihre Angst vor der Kanditatur von Angelika Pensky nicht zu erklären.

Natürlich ist sie nicht die Erneuerin, die Bremens alte Tante SPD bräuchte. Aber sie steht vorerst als einzige mannhaft dafür ein, daß die Partei die Macht nicht mehr den einfallslosen Wahlverlierern uneingeschränkt überlassen darf. Und was noch schwerer wiegt: Man glaubt ihr, daß sie durch Macht nicht korrumpierbar ist. Insofern ist sie schon der neue Typ, den die alte Garde fürchtet. Darum also mußte Konrad 'ran, das alte Schlachtross von vorgestern, abgearbeitet in Partei, Fraktion und Senat, aber ein braver Parteisoldat. Moralische Positionen kann er immer noch vertreten. Wenn einer von der alten Garde den neueren entgegentreten kann, dann er, der gute Mensch von Huchting.

Er wollte ums verrecken nicht. Sein Weg war klar: weg aus der kommunalen Enge, die ihn verschlissen hat und jetzt auch ohne Perspektiven ist. Das Bundestagsmandat kann guter Abschluß für einen guten Mann sein. Hans Koschnick hat es vorgemacht. Sie müssen ihn erpreßt haben, seine Freunde, doch zu kandidieren.

Wenn die vereinigten Kräfte ihn am 20. März an die Spitze der Partei gehievt haben werden, ist aber mehr geschehen, als die Verhinderung der Angelika Pensky. Kurskorrektur ist angesagt. Die Ampel geht zu Ende. Wer aber wird Bürgermeister sein, wenn sich das neue Bündnis auftut? Natürlich der Retter Bremens. Zwar hat er einst sein Schicksal mit der Ampel verknüpft; das aber waren andere Zeiten. Jetzt muß Bremen weiter gerettet werden. Die Krise fängt erst an. Nicht nur in Bremen. Zeiten für große Koalitionen scheinen angezeigt. Wo geht es los? Mit Beispiel Bremen? Thomas Franke