Deutsche Feigheit vor dem Freund

■ Felicia Langer fordert Solidarität mit Palästinensern

„Menschenrechte sind universal, und so wie man in Deutschland gegen Neonazis ist, muß man auch die Politik der Knochenbrecherei in Israel verurteilen.“ Dieses harte Urteil über ihre Heimat fällte gestern Felicia Langer, jüdische Menschenrechtsanwältin aus Israel und Trägerin des alternativen Nobelpreises von 1990. Nachdrücklich forderte sie von den Deutschen Solidarität mit dem palästinensischen Volk. „Gerade, weil hier in Deutschland zu oft geschwiegen wurde, und weil die Deutschen die Freunde Israels sind, müssen sie diese brutale Politik verurteilen.“ Sie war nach Bremen gekommen, um ihre Autobiographie „Zorn und Hoffnung“ vorzustellen.

Gerechter Zorn kommt über Felicia Langer, wenn sie von der Situation in Israel spricht: „Ich beherrsche die deutsche Sprache nicht so gut, um meine Wut richtig auszudrücken. Die Deportation der 400 Palästinenser ist klar völkerrechtswidrig. Sie sitzen wirklich und im übertragenen Sinn im Niemandsland.“

Früher, so Langer, habe die Bundesregierung das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser unterstützt. „Aber jetzt — man schweigt. Nicht, weil man zu beschäftigt mit dem Solidarpakt ist, sondern aus Abwesenheit von Mut. Die Deutschen verschweigen aus Angst vor israelischer Kritik an den Neonazis die Folter, Deportationen und Enteignungen in den besetzten Gebieten. Kinkel sollte mehr Zivilcourage haben und Rabin nach diesen Verbrechen fragen.“ 76 Kinder sind nach ihren Angaben seit dem Beginn der Intifada getötet worden, doch bei den Medien heißt es inzwischen „tote Kinder — no news“.

In der israelischen Gesellschaft, so Felicia Langer, seien nach 25 Jahren brutaler Besetzungspolitik die moralischen Werte erodiert. „Eigentlich bin ich eine israelische Patriotin; was ich mache, ist sehr wichtig für das Land. Es gibt eine Spirale der Gewalt und soviel Haß, daß man ihn auf der Haut spüren kann. Die israelischen Friedenskräfte sind in der seltsamen Situation, daß die Tauben in der Regierung die Morde und die Folter dulden. Für die Palästinenser einzutreten, kann nicht populär sein. Ich werde beschimpft als Nestbeschmutzerin, Verräterin und als Frau immer auch als Hure.“

Felicia Langer hat ihre Rechtsanwaltspraxis aus Protest gegen die Besetzungspolitik in Israel geschlossen. Zur Zeit lebt sie in Deutschland. Ab Mai wird sie an der Universität in Bremen an der juristischen Fakultät Vorlesungen zum Völkerrecht halten. Das Thema: Israel und die besetzten Gebiete. Bernhard Pötter