Handgranate auf der Mühlendammbrücke

■ Rivalisierende Banden aus dem Rotlichtmilieu sollen gestern scharfes Geschoß unter Mercedes geschleudert haben

Mitte. Kaum handfeste Informationen, dafür aber um so wüstere Spekulationen rankten sich um eine Handgranate, die gestern vormittag auf der Mühlendammbrücke gezündet worden ist. Einer oder mehrere unbekannte Täter hatten das Wurfgeschoß gegen 10.50 Uhr unter ein vorbeifahrendes Auto geschleudert. Das Fahrzeug, ein roter Mercedes 190, wurde stark beschädigt. Die Fahrerin und der Beifahrer sollen mit einem Schock davongekommen sein. Über die möglichen Hintergründe war von der Polzei nichts in Erfahrung zu bringen. Nur der Sprecher der Innenverwaltung, Norbert Schmidt, wagte sich mit der Vermutung vor, es könne sich um eine Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Banden aus dem Rotlichtmilieu handeln. Der Beifahrer soll Geschäftsführer eines Sexkinos sein und sei der Polizei „nicht ganz unbekannt“, sagte Schmidt.

Die Handgranate war vermutlich vom Bürgersteig aus über die Fahrbahn gerollt worden. Die Detonation war so heftig, daß der Knall mehrere 100 Meter weit die Menschen zusammenzucken ließ. Durch die Druckwelle gingen bei den umliegenden Häusern zahlreiche Fensterscheiben zu Bruch, darunter auch Fenster der Gauck-Behörde. Des weiteren wurden acht Fahrzeuge beschädigt. Noch Stunden nach dem Vorfall war die rechte Fahrbahnhälfte der Brücke in Richtung Brandenburger Tor von der Polizei weiträumig abgesperrt. Der rote Mercedes 190 stand mit weitgeöffneten Türen und Kühler- und Kofferraumhauben mitten auf der Brücke. Während von der Heckscheibe nichts mehr übriggeblieben war, war die Frontscheibe lediglich gesprungen. Ein großer schwarzer Brandfleck rund 60 Meter hinter dem Fahrzeug ließ darauf schließen, daß die Explosion dort stattgefunden hatte und der Wagen noch ein Stück weitergerollt war. Auf dem abgesperrten Areal wimmelte es von Polizeibeamten, die zum Teil auf allen Vieren um den schwarzen Fleck herumkrochen und die Brandfläche mit Hämmerchen bearbeiteten. Die so gewonnenen undefinierbaren Proben füllten sie feinsäuberlich in Plastiktüten.

Hinter dem Absperrband drängten sich zahlreiche Schaulustige, die über die Tat wüst spekulierten. Aufgrund der ersten Polizeimeldungen war für alle klar, daß es sich um eine Autobombe gehandelt haben müsse. „Das waren die Russen, denn sonst hätte der Anschlag geklappt“, witzelten die einen. Andere meinten, Berlin sei mit seiner „ersten Autobombe nun endgültig zur Metropole gereift“.

Der Staatsschutz, der bei einer Sprengstoffexplosion immer als erster ermittelt, hat gestern nachmittag das Kripo-Referat für Organisierte Kriminalität (OK) hinzugezogen. Dpa meldete, eine Anwohnerin habe direkt nach dem Anschlag gesehen, wie mehrere Begleitfahrzeuge des Mercedes Blaulicht aufs Dach gesetzt und davongerast seien. Dazu OK-Inspektionsleiter Fingerhut lapidar: „Ich habe von so einer Zeugin auch gehört.“ plu