Nationalmagazin

■ Nur langsam bröckelt beim neuen "Deutschlandradio" die Mauer zwischen DLF (Köln) und RIAS/DS-Kultur (Bremen)

Den Namen hat das Kind jetzt: „Deutschlandradio“. Auch auf eine langsame Abwicklung von Mitarbeitern, die Altersversorgung und die Zukunft von Rundfunkchören und Orchestern hat man sich nach langem Streit beim geplanten nationalen Hörfunk nun einigen können. Was die Inhalte der Programme und künftige Frequenzen angeht, wird aber noch kräftig politisch fingergehakelt. Wir erinnern uns: Aus dem Kölner Deutschlandfunk (DLF), dem Berliner RIAS und dem DDR- Sender DS-Kultur sollen zwei bundesweite Sender in Berlin und Köln entstehen. Beide mit dem gleichen Schwerpunkt: Information und Kultur.

Die Differenzen über die Programmschwerpunkte sind massiv. Da steht die Mauer noch, und der Deutschlandfunk sieht amüsiert zu, wie die beiden Berliner Sender sich zerstreiten: Die Kölner erklärten unverblümt, ihr Informationsprogramm unverändert weiterführen zu wollen, während DS-Kultur sich stärker kulturell orientieren möchte. Dagegen will der RIAS in beiden Programmen Information und Kultur integrieren – am besten durchgehend in Magazinform. Ende Januar eskalierte der Konflikt, und die geplante Programmausschuß-Sitzung des Gründungsgremiums für den nationalen Rundfunk mußte abgesagt werden. Die jüngste Sitzung brachte ein wenig Annäherung: Nun werden für das Berliner Programm bloß noch „Magazinfenster“ diskutiert.

Völlig offen ist, ob die beiden nationalen Programme in absehbarer Zeit überhaupt bundesweit empfangen werden können. Telekom-Sprecher Rüdiger Staats war bereits im August 1991 skeptisch, das UKW-Band in den alten Bundesländern sei „dicht“. Bisher kann der DLF über UKW im gesamten Bundesgebiet gerade von knapp 20 Millionen HörerInnen empfangen werden, während DS- Kultur knapp zehn Millionen und der RIAS maximal sieben Millionen HörerInnen erreicht.

Der zwischen Bund und Ländern bislang schwelende Konflikt über die Frage der Kostenübernahme der bisher hauptsächlich vom Bund finanzierten Sender DLF und RIAS scheint inzwischen gelöst. Die Länder wollten die beiden Anstalten „altlastenfrei und nur mit einem bedarfsgerechten Personalbestand übernehmen“, gab der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Karl-Heinz Klär, die Linie vor.

Derzeit gibt es bei den drei Sendern rund 1.200 Planstellen. Der Bund berechnete dabei für den nationalen Hörfunk 850 Planstellen, die Länder aber nur 700. Immerhin belaufen sich die geschätzten Übernahmekosten für Personal und Sachmittel bei RIAS und DLF auf 521 Millionen Mark.

Im Februar nun einigten sich Bund und Länder darauf, daß die neue Körperschaft von den Mitarbeitern 950 statt der vorher vorgesehenen 710 übernimmt. 240 Mitarbeiter sollen davon jedoch durch Vorruhestandsregelungen und Stellenabbau wieder „abgeschmolzen“ werden. 370 Mitarbeiter soll der Bund im verbleibenden Bundessender Deutsche Welle unterbringen. Die teuren, insgesamt fünf Chöre und Orchester der Einzelsender sollen voraussichtlich zum 1. August in einer GmbH aufgefangen werden, die dem Bund und den Ländern gehört.

Nachdem der Sendebeginn des nationalen Hörfunks zum 1.1. 1993 schon nicht eingehalten werden konnte, hoffen Optimisten aus den Bonner Regierungsfraktionen jetzt auf den Sendestart am 1. Juli. Interne Einschätzungen beurteilen dies aber skeptisch, da der dazu nötige Staatsvertrag, dem die Ministerpräsidenten der Länder im Dezember zustimmten, trotzdem erst bis zum Herbst in den Landesparlamenten ratifiziert werden kann.

Der 1960 per Bundesrundfunkgesetz gegründete Deutschlandfunk und der Auslandssender Deutsche Welle wie auch der von Bonn finanzierte US-Sender RIAS waren von Anfang an politisch umstritten. Laut Verfassungsgericht ist Rundfunk Ländersache, und so drohte die SPD 1987 mit dem Gang nach Karlsruhe, und es begannen Verhandlungen mit der Bonner Koalition zur Novellierung des Bundesrundfunkgesetzes, die mit der Verabschiedung im Bundestag am 7.3. 1990 ihren Abschluß fanden. Allerdings änderte dies kaum etwas an der finanziellen Abhängigkeit vom Bund noch am parteipolitischen Gremieneinfluß.

Das Ende der DDR brachte neuen Schwung in die Diskussion um den Bundesrundfunk: ARD und ZDF boten sich jeweils als Dach für ein neues Nationalradio an. Am 8. März 1990 einigten sich dann Bund und Länder auf eine Arbeitsgruppe zur Neuordnung der Bundesrundfunkanstalten. Die Verhandlungen gestalteten sich aber von Anfang an schwierig. Es gab nicht nur Konflikte zwischen Bund und Ländern, sondern Differenzen zwischen den CDU- und SPD-Landesregierungen.

Der zunächst ausgehandelte Kompromiß DLF zur ARD, RIAS zum ZDF war nicht mehrheitsfähig. Die Ministerpräsidenten einigten sich schließlich im Juli 1991 darauf, RIAS, DLF sowie DS-Kultur jeweils ein Hörfunkprogramm unter dem Dach einer Gemeinschaftseinrichtung von ARD und ZDF produzieren zu lassen. Zur Finanzierung wurde deshalb ein Zuschlag von monatlich 75 Pfennigen auf die Rundfunkgebühr beschlossen. Die Bundesregierung akzeptierte diesen Vorschlag aber nicht und forderte weiterhin eine eigenständige Anstalt. Ein Spitzengespräch zwischen Kohl und den Ministerpräsidenten am 25.Juni 1992 brachte dann endlich die Einigung. Ein von Bundes- und Landesvertretern dominierter Gründungsausschuß soll den Staatsvertrag organisieren. Man einigte sich auch über die Sitzverteilung im geplanten Hörfunk- und Verwaltungsrat der Anstalt. Von den 40 Mitgliedern des Hörfunkrates sollen 16 durch die Länder, drei vom Bund und 21 von gesellschaftlichen Gruppen bestimmt werden. Im Verwaltungsrat erhält der Bund einen von acht Sitzen, die Länder drei. So haben sich die Politiker wieder ihren Einfluß gesichert. Philippe Ressing