Abi light

■ betr.: "Kohl: Schneller lernen", taz vom 6.3.93

betr.: „Kohl: Schneller lernen“, taz vom 6.3.93

Lange haben wir ja darauf warten müssen. Aber nachdem so wichtige Dinge wie Gummibärchen, Meisenringe und Blumendünger mittlerweile kalorienreduziert daherkommen, soll es diese abgespeckte Variante jetzt auch für die geistige Grundnahrung in Form der Bildung geben. Die Supermarktkette KMK (Kultusministerkonferenz) preist an: „Schluß mit überflüssigen Lernpfunden, weg mit dem verflixten 13.Schuljahr! Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche, werden Sie zum Fachidioten! Packen wir es gemeinsam an, und lassen Sie uns 1,2 Milliarden DM pro Jahr sparen!“

Der Unbildungsminister schlägt in die gleiche geistige Lücke und empfiehlt zum 13.Schuljahr: „Der Genuß dieser Marke schadet Ihrer Schullaufbahn, gönnen Sie sich höchstens zwölf Durchlauferhitzereinheiten!“

Das Light-Wesen wird also bald umfassend sein. Der Mensch mutiert unter seiner Käse-(Halbfettstufe)Glocke zum Spezialisten für halbe Sachen, Halbwahrheiten, zum Bildungshalbbürger. Seine Halbwertzeit wird unweigerlich sinken, die Zahl der Studienabbrecher und Arbeitslosen dagegen steigen. Das eingesparte Geld kann dann in die psychosoziale Betreuung der Light-Tragenden eingesetzt werden. So schließt sich der Bildungs(halb)kreis an der Schwelle zum 21.Jahrhundert.

Aus Abi light wird Abi-Leid. H.Lünemann, Osnabrück

betr.: „Milchmädchenrechnung“, taz vom 2.3.93

Möglicherweise kann man ein Schuljahr streichen, aber das darf nicht aus rein finanziellen Gründen geschehen! Bildungspolitik ist in den letzten 15 Jahren so verknöchert und menschenfeindlich geworden, daß nur noch in finanziellem Input und wirtschaftskonformem Output gedacht wird.

Das gesamte Bildungssystem muß reformiert werden, und zwar in einer Weise, daß die „hehren“ Ziele, die schon in Schulgesetzen und teilweise auch Hochschulgesetzen niedergeschrieben sind, endlich verwirklicht werden. „Staatsbürgerliche Verantwortung, Solidarität, Toleranz, Gleichberechtigung, Völkerverständigung, Konfliktlösung...“ – so steht es im nächsten niedersächsischen Schulgesetz.

Wenn allerdings immer noch an einem Schulkonzept festgehalten wird, das SchülerInnen weiterhin als Rezeptoren von Fachwissen und nicht als Kinder und Jugendliche mit eigenen Wünschen und Problemen betrachtet; wenn sie ausgebildet werden, um den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ zu sichern, statt sie zu bilden für ein Leben und Handeln in einer freien, selbstbestimmten Welt, dann findet weiter nur die Reproduktion des schon Vorhandenen statt, und von einer Welt, in der unsere Kinder „es besser haben sollen“, kann keine Rede mehr sein. Eingeengt in Produktions- und Sachzwänge kann dann diese „bessere“ Welt nur die von Aldous Huxley sein. [...] Für die Fachschaft Lehramt der

C.v.Ossietzky-Universität:

Felix Kohn, Oldenburg