Kriegswirtschaft mit hohem Zinsgewinn

■ Serbien: Berühmter Privatbankier auf der Flucht vor Schutzgeld-Forderungen

Belgrad (taz/AP) – Wie schafft es eine Bank in Serbien, zehn bis 15 Prozent Zinsen auf Spareinlagen in West-Devisen zu zahlen? Tatsache ist, daß in dem kriegführenden Land mit 200 Prozent Monatsinflation viele Serben von den Zinsen leben, die sie bei den neu entstandenen Privatbanken auf Devisenguthaben ausgezahlt bekommen. Um so heftiger war Anfang der Woche der Aufruhr, als der Belgrader Privatbanker Jezdimir Vasiljević nach Israel floh und damit seine Kunden von ihrer oft einzigen Einkommensquelle abschnitt.

Der 44jährige beschuldigte führende serbische Politiker der Waffenschieberei, Korruption und Kriegsgewinnlerei. Er sagte, eine Nachforderung der serbischen Finanzbehörden in Höhe von 1,7 Millionen Dollar zusätzlich zu den Steuern habe für ihn das Maß voll gemacht. Der unabhängige Fernsehsender Studio B berichtete demgegenüber, Vasiljević sei geflohen, weil er die von den regierenden Sozialisten des Präsidenten Slobodan Milošević geforderten Schutzgelder nicht mehr bezahlen könne. Unabhängige Medien hatten Jugoskandić und anderen Privatbanken wiederholt vorgeworfen, die hohen Zinsen mit undurchsichtigen Geschäften aufzubringen. Es gebe eine Verflechtung der regierenden Sozialisten mit Privatbanken, die ihrerseits mit Geldwäsche, Waffengeschäften und umfangreichem Schmuggel in Verbindung stünden. Jugoskandić soll für seine Kunden vier Millionen Festgeldkonten mit einer Gesamteinlage von zwei Milliarden Dollar unterhalten.

Die Chefin der größten serbischen Privatbank Dafiment, Dafina Milanović, sagte im staatlichen Fernsehen, sie werde nicht wie Vasiljević davonlaufen, und kündigte gleichzeitig eine Erhöhung des Spitzenzinssatzes für Deviseneinlagen auf 16 Prozent an.

Die privaten Banken in Serbien entstanden, nachdem die staatlichen ihren Sparern die angelegten Devisen nicht mehr auszahlten und sich damit auch jede Chance verbauten, in privaten Händen angesammeltes Geld in Umlauf zu bringen. Die Privaten fingen mit sehr hohen Zinsen an, um Risikobereitschaft bei der Bevölkerung zu wecken, das Gefühl der Unsicherheit zu kompensieren und das Geld aus den Strümpfen in die eigenen Depots zu locken. Mit Erfolg. Nach einem Jahr hatte die Dafiment Bank 12 Millionen Sparer, denen sie jeden Monat Zinsen ausschüttet, deren Höhe sogar die Empfänger ins Staunen bringt. Devisen auf dem Sparkonto vermehren sich um 14 Prozent monatlich. So ist es möglich, aus 10.000DM mit dem ständigen Anlegen von Zinsen in einem Jahr 48.355DM herbeizuzaubern oder von 1.000 DM ruhig zu leben.

Interessant sind die internationalen Verbindungen der Dafiment Bank. Seit einigen Monaten hält Israel Kelmann, ein Geschäftsmann aus Tel Aviv, 25 Prozent ihrer Aktien. In der Schublade liegt die Erlaubnis der schweizerischen Regierung, in der Schweiz eine Bank zu gründen. Die Geschäftsräume sind bereits gekauft, es wird nur auf die Aufhebung des Embargos gewartet, dann öffnet die Bank in München, Paris und London die Türen. In der großen, weiten Welt gibt es 25 Zweigstellen der Dafiment Bank, die allerdings wegen des Embargos anders heißen.

Die Dafiment Bank gründete mit ihrem Kapital 17 Unternehmen. Dafina Milanović ergatterte die Konzessionen für den Bau der Parkhäuser und Parkplätze in ganz Jugoslawien, für die U-Bahn in Belgrad, für die Autobahn Horgoš-Novi Sad, für die Schnellbahn in Serbien. Sie wird den Nahen Osten mit Trinkwasser aus Montenegro beglücken; die Verträge mit Unternehmen aus der Schweiz und Griechenland sind geschlossen. Es besteht auch das Unternehmen Dafina Trade für Import und Vertrieb von Öl, fleißig werden private Tankstellen gebaut, und Milanović hofft, daß die UNO die Einfuhr des „humanitären“ Öls über ihre Firma abwickeln wird.

Neben den hohen Zinsen und den zahlreichen Konzessionen gibt es eine weitere Besonderheit: In diesem Jahr kam es nicht einmal vor, daß die Dafiment Bank ihren 12 Millionen Sparern mangels Scheinen die hohen Zinsen nicht hätte ausbezahlen können. Das ist ein Problem, mit dem die staatlichen Banken ständig zu kämpfen haben. Gehälter und Renten werden tagelang nicht ausbezahlt. Marinka Radez/dri