Einheizer warnen vor Autonomen in Bonn

■ Asyl: Drohbrief gegen Abgeordnete/ Aktionen in der Bannmeile geplant

Frankfurt/Berlin (taz) – Der Verfassungsschutz prophezeite, die Zeitschrift Focus zitierte und ein Brief an die Deutsche Presse- Agentur belegte es dann gestern. Auf kariertem Papier drohen ungenannte Finsterlinge den Bonner Bundestagsabgeordneten. Die namentliche Zustimmung zur Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes, und damit die Verschärfung des Asylrechts, werde der Anlaß sein, „euch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln (und das sind ganz bescheiden gesagt, noch nicht mal so wenige) das hierzulande noch viel zu wenig bekannte Drittweltgefühl“ zu vermitteln, heißt es in dem auch der taz vorliegenden Schreiben. Mehrere Abgeordnete, meldete die Agentur „aus Sicherheitskreisen“, hätten schon ähnliche Drohungen erhalten. Eine erste Analyse schreibe den Brief „den Autonomen“ zu.

Währenddessen diskutierten in den letzten Wochen in mehreren Städten in der Bundesrepublik Autonome und Flüchtlingsgruppen ganz offen das, was Abgeordnete eine Bedrohung nannten und Gerichte schon in der Vergangenheit und innerhalb der Bannmeile als Nötigung von Verfassungsorganen gewertet hatten: die Blockade- Aktionen und Demonstrationen am „Tag X“, dem Tag der Schlußabstimmung.

Ein Plenum am Mittwoch abend in der Frankfurter Universität erteilte den hochgesteckten Erwartungen auf eine neue Massenbewegung gegen die Asylrechtsänderung, die der Verfassungsschutz prognostiziert hatte, eine Absage: „Wer das glaubt, hat mehr als einen Schuß.“ Autonome und Flüchtlingsgruppen versprachen sich von der Teilnahme „außerhalb der Bannmeile an drei Blockade-Punkten“ lediglich eine „Politik der Nadelstiche“. „Wenn wir“, so ein Redner, „diesen historischen Tag einfach verschlafen, dann ist das wie eine Selbstauflösung.“

Über die Ursachen des allgemeinen Rechtstrends gingen die Meinungen auseinander. Eine der gravierendsten Ursachen sei allerdings, außer der Verarmung und Vereinzelung in der kapitalistischen Ellenbogengesellschaft und und der mangelnden Erziehung zur Humanität, in einem neuen, völkischen Selbstfindungsprozeß der Deutschen zu sehen.

Dieses „Wechselspiel“ zwischen Bevölkerung und Politik habe „in den letzten zwei Jahren prächtig geklappt“. Nicht, daß sie jetzt „verfassungstragend“ werden wollten, war der Tenor, aber das Asylrecht sei so wichtig für die AusländerInnen, daß es, jenseits der Ablehnung des Staates, „jetzt doch geschützt werden“ müsse. Weitere Gruppen haben inzwischen Aktionen zur Schlußabstimmung, zum „Tag X“, angekündigt. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie möchte dabei hinter die Bannmeile gehen, das Netzwerk der Friedensinitiativen davor demonstrieren. Von Frankfurt aus sollen Busse und ein Schiff starten. Heide Platen

Treffpunkt ist in der Nacht zum „Tag X“ in Frankfurt um zwei Uhr der Campus der Universität. Karten können vorab für 30 Mark im Cafe KOZ und im Uni-Buchladen erstanden werden. (Informationen: 069/703337).