Mut zur Schwäche!

■ Inge Andersen inszeniert Goethes „Stella“

hier Frau mit Pullover

Mit neun Jahren wußte sie, daß sie Schauspielerin werden wollte. Mit sechzehn wollte sie dann doch lieber Medizin studieren. Ein Lehrer war dagegen. Er sagte:“ Du gehst nach Deutschland und wirst Schauspielerin.“ Das hat sie dann getan — wenn auch zuerst nur „mit dem kleinen Zeh“ und dem ständigen Wunsch, nach Dänemark zurückzukehren. Heute weiß Inge Andersen, daß man nur in sich selbst richtig zuhause sein kann. Sie ist Schauspielerin und seit 1988 hauptsächlich als Regisseurin tätig. Sie stammt aus dem dänischen Tönder, ist 34 Jahre alt und inszeniert in Bremen Goethes „Stella“.

„Ich suche mir meine Stücke immer selbst aus!“ erklärt die kleine, mädchenhaft wirkende Frau selbstbewußt. „Warum sollte ich etwas tun, wovon ich nicht überzeugt bin?“ Für „Stella“ entschied sich Inge Andersen aufgrund der Aktualität des Stückes — „ein Stück um Liebe und Einsamkeit“.

Fernando liebt Cäcilie und Stella. Aus Unfähigkeit, mit ihnen zu leben, verläßt er zuerst Frau und Kind, danach seine Geliebte. Nach einigen Jahren trifft beide wieder. Sie sind mittlerweile befreundet. Er liebt sie wie zuvor und weiß wieder keine Lösung.

„Durch entsprechende Bildung und größere Freizeit haben heute vielmehr Menschen die Möglichkeit, sich über ihre Gefühle Gedanken zu machen als zu Goethes Zeiten“, erklärt Inge Andersen. Ihre Beziehungen seien deshalb aber nicht besser und würden tragischerweise oft auf dem Rücken von Kindern ausgetragen. Ganz genau wie es Goethe anhand von Lucie, der Tochter von Fernando und Cäcilie, zeige. „Stella ist auch ein Stück über den Schmerz der Kinder „, sagt Inge Andersen.

Eine andere große Parallele zum Heute sieht Andersen in der Rolle des Fernando: „Ein Mann voller Widersprüche, der zwei Frauen liebt. Ein Mann, der auf der Suche nach einer Lösung ist, der sich entscheiden, einlassen will. Doch immer, wenn der Alltag kommt, haut Fernando ab“, beschreibt sie — und es hört sich so privat an, als würde sie über ihren sog. „Lebensabschnittsbegleiter“ sprechen.

Aber Fernando ist lernfähig: „An einer Stelle im Stück hört er den Frauen zu“. Das sei eine der Grundvoraussetzungen der Annäherung zwischen Mann und Frau. „Zum Glück verzeihen die beiden Frauen ihrem Geliebten“, lenkt Inge Andersen ein. „Was wäre die Welt, wenn kein Herz mehr verzeihen könnte — Erst der Mut zur Schwäche macht den Menschen stark.“Martina Burandt

Foto: Jörg Landsberg

Premiere am Samstag im Schauspielhaus