Anspruchslos

■ „Warts Up“ – die Zeitschrift für schwierige Lebensfragen

Immer diese Literaten: um den Wert der von ihnen vertretenen Kulturtechnik zu betonen, lassen sie den Bildschirm dran glauben. Im Falle des Editorials von Warts Up Nr. 10 mit Hilfe der Agenturmeldung, daß die Dauerbestrahlung mit „niedrigfrequentem Flackerlicht“ zu epileptischen Anfällen und „in seltenen Fällen zum Tode“ führen könne. Witziger ist da schon die Vermutung, daß der Kontakt so mancher Glatz' mit dem Einband eines dicken Buches eine sinnstiftende Wirkung hätte haben können. Ansonsten ist das Heft aber erstens gar nicht dick (22 Seiten), zweitens abstrichlos umsonst und drittens frei vom Anspruch ähnlich flottierender Organe, hehre Prosa und vor allem Lyrik aus dem Off zwischen ihre Pappdeckel geklemmt zu haben.

Warts Up ist kein Produkt des (oft schon älteren) Nachwuchses, sondern eines für den tatsächlich jungen, mit dessen Lektüre wohl kurz nach der Alphabetisierung begonnen werden könnte. Für die „schwierige Phase“ rund um die Pubertät (die mit den Pickeln) wird sie vom Editorial ausdrücklich empfohlen. Für diese Lesegruppe geht es schon mal zur Sache, wie in den liebenswerten Kurzgeschichten von Leonore Blievernicht: „Thomas ist seit elf Jahren mit Gloria zusammen. Er kennt Gloria, Gloria kennt Thomas. Das ist schön.“ Wäre es gewiß, wenn da nicht Inés wäre und jenes „sonst nichts“ der Lust. Schon vier Geschichtchen weiter wird Inés auch Juliette ausgebootet haben, woraufhin sich die Erzählerin mit den Worten verabschiedet: „Das Huhn war wunderbar.“

Schwerpunktmäßig geht es im neuesten Heft um Reisen zwischen Paris, Ägypten und den USA, wobei es sich immer auch um das Entziffern von Speisekarten, Zeitungen, Verkehrsschildern, Hieroglyphen oder die Codes der Autohupen handelt. So ist das Thema Lesen recht geschickt in die Welt geschmuggelt, die ja bekanntlich auch nur ein Buch ist. Schön abgehangen, so wie luftgetrockneter Schinken am besten schmeckt, erzählt Detlef Kuhlbrodt einige mentale Grundsituationen des Reisens – das unbedingt Wegmüssen, das Genießen der Fremde und die Wachheit bei der Rückkehr.

Als Kant, der große Kopfreisende der deutschen Philosophie, körperlich nachsetzen wollte, war er schon zu schwächlich. Demgegenüber hat es Karl May, sein Trivial-Pendant, wenigstens zu einer Orientreise gebracht. Winnetou- Land aber sah er nie. Claudia Wahjudi dagegen hat es gleich mehrmals in die sächsische Karl-May- Stadt Radebeul verschlagen, wo sie neben Mays Haus, Grabstatt und Museum ganz passend Würstchenbuden entdeckte. Mit Bravour entlarvt sie dann noch die Unterstellung Wiglaf Drostes, daß das meterlange Werk nur von Jungs oder „Kerls“ goutiert würde. Ich habe vor zwanzig Jahren aber auch noch nicht gewußt, daß Frauen keine Squaws sein wollen. Bernd Gammlin

Erhältlich zum Beispiel an der Rezeption der taz