Der heikle Job der Desillusionierung

■ Alltag in der Arbeitsberatung: Nicht immer passen Eignung und Berufsziel der Ratsuchenden zusammen/ Seit 1. Januar gilt für Umschulungswillige eine Beratungspflicht

Berlin. Der Sketch gehört zu den Klassikern der britischen Komödiantentruppe Monty Python. Kommt einer zum Arbeitsberater und will sich umschulen lassen, sein langweiliges Dasein als Buchhalter eintauschen gegen eine gänzlich gegenteilige Profession: Der Mann will Löwenbändiger werden. Was ihn denn dafür qualifiziere, erkundigt sich der Beamte, worauf der Mann „Mein Hut!“ entgegnet und einen Zylinder hervorzieht, auf dem das Wort „Löwenbändiger“ zu lesen ist.

Mit angehenden Löwenbändigern hatten sie im Landesarbeitsamt in Kreuzberg noch nicht zu tun, aber daß Berufswunsch und Realisierbarkeit meilenweit voneinander entfernt sind, erfahren die Arbeitsberater fast täglich. „Was ihre Berufswahl angeht, sind viele total schlecht orientiert“, sagt Abteilungsleiterin Christel Abt. Bei der Orientierung zu helfen ist Aufgabe der sieben Arbeitsberater. Schulabgänger lassen sich informieren, Hausfrauen, die wieder einsteigen wollen. Vor allem aber kommen Arbeitslose, die keine Chance mehr sehen, im alten Beruf eine Anstellung zu finden oder „etwas Richtiges“ lernen wollen.

Für die ist der Gang ins Arbeitsamt seit dem 1. Januar gesetzlich vorgeschrieben. Nur der hat Anspruch auf finanzielle Förderung von Fortbildung oder Umschulung, der vorher beim Arbeitsamt seine Eignung für die angestrebte Tätigkeit hat bestätigen lassen. Daß einige die Beratungspflicht als staatliche Bevormundung geißeln, hält Christel Abt für unberechtigt. Die Vorschrift mache Sinn, „zu viele Fortbildungsmaßnahmen sind in der Vergangenheit abgebrochen worden.“

Die Kreuzberger Berater haben es mit einer problematischen Klientel zu tun. Die Arbeitslosigkeit ist groß, der Ausländeranteil hoch. Und die Erwartungen sind enorm: Allein das Wort Umschulung, sagt Christel Abt, lasse manchen „regelrecht euphorisch“ werden. Manchmal passen Qualifikation und Eignung tatsächlich zum angestrebten Beruf; wenn ein Träger gefunden ist, steht der Fortbildungsmaßnahme nichts mehr im Wege. Häufig ist es aber erste Aufgabe der Berater, überzogene Ziele auf das rechte Maß herunterzuschrauben. Christel Abt erinnert sich an jenen Mann, der, weil sein Freund begeistert im EDV-Bereich arbeitete, „unbedingt was mit Computern machen wollte, am besten Programmierer“. Das Problem war, daß der Kandidat nicht mal einen Hauptschulabschluß vorweisen konnte. Bei so offensichtlichen Fällen kann der Arbeitsberater klar sagen, daß die Eignung für einen Beruf nicht gegeben ist. Sonst kann er den Kandidaten zum psychologischen Dienst des Arbeitsamts überweisen, wo er einen Eignungstest macht, dessen Ergebnis anschließend ausführlich mit ihm besprochen wird.

Tag für Tag die Leute von der Hoffnungslosigkeit ihrer Ambitionen zu überzeugen, dabei oft langgehegte Wünsche zu zertrümmern, das gehe nah, sagt Christel Abt. Aber was sollen die Berater machen? Wenn ein 45jähriger kommt und ins Hotel- und Gaststättengewerbe will, „dann muß man dem schon knallhart sagen, daß er dafür zu alt ist.“ Wenigstens halte die Betrübnis bei den meisten Beratenen nicht allzulange vor. Spätestens nach dem Gespräch mit dem Psychologen würden viele erkennen, daß eine andere Tätigkeit als ihr Traumberuf viel befriedigender sein kann. Wie im Sketch von Monty Python: Da empfiehlt der Berater dem Buchhalter schließlich, nicht gleich den großen Sprung zu wagen, sondern langsam auf das Löwenbändigen hinzuarbeiten – vielleicht mit einem Job bei der Bank. Holger Gertz