■ Nordkorea steigt aus Atomwaffensperrvertrag aus
: Mit Sicherheit gefährlich

Der Ausstieg Nordkoreas aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen ist ein böses Omen. Ein böses Omen für die Erneuerung des Vertrages bei der Überprüfungskonferenz 1995 und ein Zeichen für den Wegfall der bisherigen internationalen Ordnungsfaktoren. Der 1968 in die UNO-Vollversammlung eingebrachte Vertrag war von den Supermächten USA und UdSSR erarbeitet worden – die Briten segelten im amerikanischen Schlepptau – und hatte das erklärte Ziel, den Kreis der Atommächte so exklusiv wie möglich zu halten. Dabei ergab sich die Wirkung des Vertrages schon immer mehr aus der Durchsetzungskraft der Supermächte in ihrer jeweiligen Interessensphäre als aus der Bindungswirkung der insgesamt 154 Unterschriften, die letztlich zustande kamen.

Wirklich funktioniert hat das Junktim – Zusammenarbeit im sogenannten zivilen Atomsektor nur bei Unterzeichnung des Sperrvertrages – nie. So wichtige Länder wie Indien, Pakistan, aber auch Israel widersetzten sich dem Druck der Supermächte und besorgten sich das atomare Know-how auf dem grauen Markt. Aber auch Unterzeichnerstaaten wie Irak und Iran haben bekanntermaßen die Unterschrift unter den Vertrag nicht sehr ernst genommen und mit allen Mitteln – mehr oder weniger erfolgreich – versucht, sich den Bombenstoff zu besorgen. Frankreich im Nahen Osten und die BRD in Brasilien haben ihre kommerziellen Interessen deutlich vor die Gefahr der Verbreitung weiterer Atomwaffen gestellt, trotz massiven amerikanischen Drucks. Und nicht zuletzt sah sich die Wiener Atomenergiebehörde IAEA, die für die weltweite Kontrolle des Spaltstoffes gegründet worden war, wiederholt dem Vorwurf allzu freundlicher Umgangweise mit der Atomlobby ausgesetzt – oft zu Recht, wenn man sich erinnert, wie die Wiener den Unfall in Tschernobyl schönredeten.

Mit der Auflösung der UdSSR als einer der Garantiemächte des Sperrvertrages hat sich die Situation jetzt grundsätzlich geändert. Zum einen ist Rußland längst nicht in der Lage, international die frühere Rolle Moskaus weiterzuführen, zum anderen wird der graue Markt aus früheren Sowjetarsenalen mit Atommaterial überschwemmt. Der Ausstieg Nordkoreas aus dem Vertrag zeigt nun auch, sozusagen offiziell, daß für die Begrenzung von Atomwaffen andere Mittel gefunden werden müssen als jene, die zu Zeiten des Kalten Krieges wirksam waren. Da auch die USA nicht mehr in der Lage sind, ihre Neue Weltordnung global durchzusetzen, muß Sicherheit regional neu organisiert werden. Entweder auf der Basis eines neuen Gleichgewichts des Schreckens – das ist der Weg der regionalen Aufrüstung, der jetzt schon im Gange ist – oder durch neue Sicherheitsorganisationen und Abrüstungsrunden, an denen dann alle, die betroffen sind, auch mit am Tisch sitzen müssen. Jürgen Gottschlich