Hoechst: Die Serie steht

Störfall in Wiesbaden: Gift im Rhein/ Trinkwassergefährdung nicht ausgeschlossen/ Hoechst hat Tradition verharmlosender Pressepolitik  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Wer mit dem Teufel Karten spielt, verliert. Die Hoechst AG hat schon wieder verloren. Im Wiesbadener Hoechst- Werk Kalle-Albert sind gestern rund 1.000 Liter eines giftigen Chemikaliengemischs ausgelaufen. Etwa 100 bis 200 Liter der feuergefährlichen Flüssigkeit flossen in einen Kühlwasserkanal, 50 Liter davon direkt bis in den Rhein, sagte Firmensprecher Hans-Georg Klose. Eine Trinkwassergefährdung konnte gestern nachmittag nicht ausgeschlossen werden. Das hessische Umweltministerium legte das Wasserwerk Schierstein rheinabwärts vorsorglich still. Es wurde allerdings kein Rheinalarm gegeben.

Die freigewordene Flüssigkeit besteht nach Firmenangaben aus in Xylol gelöstem Escopol, einem Vorprodukt für die Lackherstellung. Xylol ist giftig für Pflanzen und Tiere. Bei Menschen wirkt die Benzolverbindung auf das Zentralnervensystem und führt zu Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen. Außerdem steht sie in Verdacht, die Entstehung von Hautkrebs zu fördern.

Bei dem Zwischenfall war nach Kloses Angaben ein nicht vorschriftsmäßig geschlossener Kessel übergekocht. Rund 1.000 Liter des Gemischs seien – wie für solche Fälle vorgesehen – über das Dach abgelaufen und hätten sich dort in einer installierten Dachwanne gesammelt. Nur ein kleiner Teil der Chemikalien sei durch die Dachrinne in den Kühlwasserkanal geflossen. Der Kühlwasserkanal zum Rhein war nach dem Zwischenfall geschlossen worden. Für den schweren Störfall am 22. Februar im Griesheimer Werk von Hoechst wird ebenfalls ein Bedienungsfehler verantwortlich gemacht.

Hoechst-Sprecher Heiner Harder bestätigte gestern einen Pressebericht, nach dem seine Firma schon vor zwei Jahren nach einem Unfall mit dem Giftgas Phosgen Probleme mit der Information der Öffentlichkeit hatte. Hoechst hatte nach einem Unfall mit dem Phosgen zunächst von „einer ungiftigen weißen Wolke“ gesprochen. „Wir haben damals Fehelr gemacht“, so Harder. Anschließend sei der Unfall im Stammwerk Hoechst aber in großer Breite in der hessischen Presse dargestellt worden. Damals habe das Gift den Zugang zu Räumen mit speziellen Schutzanzügen versperrt, so daß der Unfall mit normalem Atemschutzgerät habe bekämpft werden müssen. Mehrere Personen wurden verletzt.

Harder bestätigte auch Berichte über die beabsichtigte Schließung von vier Betrieben mit insgesamt 142 Mitarbeitern. Das habe aber nichts mit dem Griesheimer Störfall zu tun, bei dem krebserregendes o-Nitroanisol ausgetreten war.